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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

Allein das wunderbare Schicksal, unter dessen Leitung ich stand, kündigte sich nunmehr auf eine höchst seltsame Weise an. Es war etwa fünf Uhr des Abends, als ich getrosten Herzens so fort schlendernd in eine gar betrübte Gegend kam. Da lag nur öde Heide weit und breit. Rechts drüben sah ein düsteres Gehölz hervor, und links vom Hügel her ein langweiliger ausgedienter Galgen, so windig und gebrechlich, daß er den magersten Schneider nicht mehr prästirt haben würde. Die Pfade wurden zweifelhaft, ich stand und überlegte, marschirte noch ein Stück und traf zu meiner großen Freude jetzt auf einen hölzernen Wegweiser. O weh, dem armen Hungerleider war die Schrift hüben und drüben rein abgegangen vor Alter! Er streckte den einen Arm rechts, den andern links hinaus und ließ die Leute dann das Ihre dabei denken. Du wärst ein Kerl, sprach ich, für den ewigen Juden, dem es wenig verschlägt, ob er in Tripstrill oder Herrnhut zur Kirchweih ankommt. Nun sah ich unten einen Schäfer seine Heerde langsam die Ebene herauftreiben. Dem rief ich zu: „He, guter Freund, wo geht der Weg nach Glückshof?“ – Kaum ist mir das letzte Wort aus dem Mund, so klatscht[WS 1] es dreimal hinter mir, eben als schlüge Jemand recht kräftig zwei hölzerne Hände zusammen. Erschrocken seh’ ich mich um – o unbegreiflicher entsetzensvoller Anblick!


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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_019.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)