Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 365.jpg

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befestigte Inschrift bezeichnete ihn als Eigenthum der Braut; vorn aber, auf dem Moosgrund, stand, mit einer Serviette bedeckt, ein Porcellanteller, der, als man das Tuch hinwegnahm, eine zerschnittene Orange zeigte, neben welche der Oheim mit listigem Blick des Meisters Autographon steckte. Allgemeiner unendlicher Jubel erhob sich darüber.

„Ich glaube gar,“ sagte die Gräfin, „Eugenie weiß noch nicht einmal, was eigentlich da vor ihr steht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten Liebling in seinem neuen Flor und Früchteschmuck nicht mehr!“

Bestürzt, ungläubig sah das Fräulein bald den Baum, bald ihren Oheim an. „Es ist nicht möglich,“ sagte sie, „ich weiß ja wohl, er war nicht mehr zu retten.“

„Du meinst also,“ versetzte jener, „man habe dir nur irgend ungefähr so ein Ersatzstück ausgesucht? Das wär’ was Rechts! Nein, sieh nur her – ich muß es machen, wie’s in der Comödie der Brauch ist, wo sich die todtgeglaubten Söhne oder Brüder durch ihre Muttermäler und Narben legitimiren. Schau diesen Auswuchs da! und hier die Schrunde über’s Kreuz, du mußt sie hundertmal bemerkt haben. Nun, ist er’s oder ist er’s nicht?“ – Sie konnte nicht mehr zweifeln; ihr Staunen, ihre Rührung und Freude war unbeschreiblich.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_365.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)