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der Sonne nähern lässt. Vermöge der gemeinschaftlichen Schwere müssen sie also gleichseitig gegen die Sonne fallen, oder beim Aufsteigen auf dieselbe Weise verzögert werden. Die Schwere kann also Kopf und Schweif nicht verhindern, mit Leichtigkeit die aus den oben besprochenen oder aus anderweitigen Ursachen entspringende gegenseitige Lage anzunehmen, und nachher ohne Hinderniss beizubehalten.

Die in den Perihelen der Kometen sich bildenden Schweife müssen sich also mit ihren Köpfen in sehr entlegene Gegenden entfernen und hierauf nach einer langen Reihe von Jahren zu uns zurückkehren, oder vielmehr nach und nach durch Verdünnung verschwinden. Wenn hierauf in der Folge ihr Kopf zur Sonne zurückkehrt, müssen neue, sehr kurze Schweife mit einer langsamen Bewegung aus demselben emporsteigen, und dieselben werden im Perihel derjenigen Kometen, welche bis zur Atmosphäre der Sonne herabsteigen, in’s ungeheure anwachsen. Dieser Dampf muss sich nämlich in den freien Räumen, in denen er sich befindet, beständig verdünnen und ausdehnen; desshalb sind alle Schweife an ihrem oberen Ende breiter, als nahe beim Kopfe. Diese durch die Verdünnung beständig ausgedehnten Dämpfe müssen sich über den ganzen Himmel verbreiten und ergiessen, hierauf durch ihre Schwere gegen die Planeten hingezogen werden, mit deren Atmosphäre sie sich wahrscheinlich vermischen. Eben so wie nämlich unsere Meere zur Einrichtung der Erde erforderlich sind, damit die Wärme der Sonne hinreichende Dünste aus ihnen emporheben könne, welche sich hierauf in Wolken sammeln und als Regen zurückkehrend, die Erde befruchten, ernähren und so fähig machen alle Pflanzen hervorzubringen; oder auch auf den kalten Gipfeln der Gebirge sich verdichten, von wo sie (nach der begründeten Muthmassung Einiger) herabfliessen und die Quellen und Flüsse bilden: auf gleiche Weise scheinen die Kometen zur Erhaltung der Meere und Flüssigkeiten auf den Planeten erforderlich zu sein, und durch ihre Ausdünstungen und verdichteten Dämpfe die Feuchtigkeit zu ersetzen und wieder herzustellen, welche beim Wachsen und Faulwerden verzehrt und in festes Land verwandelt wird. Alle Pflanzen wachsen nämlich nur vermittelst der Feuchtigkeiten, und der grösste Theil derselben verwandelt sich hierauf durch Fäulniss in trockenes Land, so wie auf den Boden der faulgewordenen Gewässer stets Schlamm niederfallt. Auf diese Weise muss die Menge des trockenen Landes beständig zunehmen, und wenn die flüssigen Theile nicht durch irgend welche Ursachen Zuwachs erhielten, müssten sie beständig abnehmen und zuletzt gänzlich fallen. Ich vermuthe, dass dieser geistige Bestandtheil, welcher der kleinste in unserer Luft, aber zugleich der feinste und vorzüglichste ist, um allen Dingen Leben zu geben, hauptsächlich von den Kometen herrührt.[1]

Die Atmosphären der Kometen werden, da sie beim Herabsteigen zur Sonne in die Schweife auslaufen, abnehmen und (sicher an der der Sonne zugewandten Seite) zusammengedrängt werden; umgekehrt, wenn sie sich von der Sonne entfernen und ihre Atmosphäre weniger in einen Schweif ausläuft,


  1. [655] No. 323. S. 495. Ich kann der hier aufgestellten Schlussfolge nicht ganz beistimmen. Ich glaube nämlich nicht, dass von der Feuchtigkeit; womit unsere Erde ausgestattet ist, ihr beim Process des Wachsens und Faulwerdens der Pflanzen etwas verloren gehe, sondern dass die hierzu erforderliche Feuchtigkeit nur von andern Theilen der Erde hergeliehen, und dass dieselbe bei eintretender Fäulniss durch Verdunstung wieder frei und zu anderweitigen Operationen verwendet werde. Nur dann erst könnte ich in Bezug auf die Erde der Schlussfolgerung im Texte beitreten, wenn zuvor nachgewiesen wäre, dass bei den beiden Operationen die absolute Menge des Flüssigen vermindert und die des Festen vermehrt werde. Denselben Haushalt stelle ich mir auf den Planeten vor, so dass auch diese keiner äussern Zuführung von Flüssigkeit bedürfen. Ist endlich die bisher besprochene Hypothese, dass durch die Wärme der Sonne aus den Kometenköpfen entwickelten Dämpfe die Schweife gebildet werden, begründet; so ist es am einfachsten anzunehmen, dass diese Dämpfe, bei der Entfernung der Kometen von der Sonne, niedergeschlagen werden und zu den Köpfen zurückkehren. Sollte übrigens die bereits erwähnte Meinung, wonach eine gewisse Identität zwischen den Kometen und den Meteorsteinen besteht, sich bestätigen; so würde man Veranlassung haben, neue und wesentlich andere Hypothesen über das Wesen und die Entstehung der Schweife aufzustellen.
Empfohlene Zitierweise:
Isaac Newton: Mathematische Principien der Naturlehre. Robert Oppenheim, Berlin 1872, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NewtonPrincipien.djvu/503&oldid=- (Version vom 12.5.2018)