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fühlte er das Bedürfniß, sich durch starke Getränke zu ermuntern. Auch fand er die kräftigsten Menschen da, wo man anstatt solcher Getränke sich nur des Wassers und der Milch bediente.

Was aber die kalten Gegenden betrifft, so segelten kürzlich 168 Schiffe aus New-Bedford auf den Wallfischfang aus, ohne daß ein Tropfen Branntwein mitgenommen wurde. Die Matrosen haben hier die härtesten Arbeiten in der Welt in der bittersten Kälte des Eismeers zu thun, aber ihre Arbeiten gehen viel glücklicher von Statten, als auf den Schiffen, wo Branntwein getrunken wird. Ueberhaupt vertraut bei uns kein Kaufmann mehr seine Waaren einem Schiffe an, auf welchem noch Branntwein getrunken wird, so lange noch andere im Hafen zu finden sind. So viel sicherer und besser wird alles besorgt, wo der Branntwein sein verderbliches Spiel nicht mehr treiben kann! Kurz und gut, so sonderbar es euch hier vorkommt, daß man sollte ganz ohne Branntwein leben können, eben so sonderbar würde es jetzt bei uns sein, wenn sich jemand noch einbilden wollte, daß der Branntwein nicht unter allen Umständen unnütz und entbehrlich sei. Und doch wurde bei uns vor 10 Jahren eben so stark getrunken, wie bei euch, und es schien damals auch lächerlich, als die ersten Freunde der Mäßigkeit den Branntwein für eben so überflüssig als schädlich erklärten.

B.: Nun, wo von Millionen Menschen mit der That bewiesen wird, daß sie ohne Branntwein leben können, wo Matrosen, Soldaten und Arbeiter in Hitze und Kälte zu Tausenden sich gesunder und froher fühlen, seit sie keinen Branntwein mehr trinken, da kann freilich kein Zweifel sein, daß auch wir noch heute aufhören könnten, Branntwein zu trinken, ohne dadurch an Gesundheit und Kraft zu verlieren. Aber sagen sie uns nur, was sollten wir nun wohl anfangen, was sollten wir mit Kindern und Gesinde bei unsrer schweren Arbeit trinken, wenn wir dem Branntwein gänzlich entsagten?

Fr.: Die Frage scheint mir dadurch beinahe beantwortet zu sein, wenn ihr euch von euren Vätern sagen laßt, was sie denn vor 40 bis 50 Jahren getrunken haben und ihren Taglöhnern und Gesinde gaben, ehe sie Branntwein tranken. Irre ich nicht, so hat sich damals jedermann mit einem Glase Bier begnügt und ist dabei gesund und froh gewesen. Was hindert euch denn, ein Gleiches zu thun, und zu jener alten guten Ordnung zurück zu kehren? Zu Hause aber haben sich eure Väter mit ihren Dienstleuten ohne Zweifel mit einem Glase Wasser oder Milch begnügt.

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)