Seite:OAB Freudenstadt 062.png

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„Hochzeiterin“ (Braut) am Hochzeitmorgen von einer oder zwei „Gspielen“ (Gespielinnen) und „Gesellen“ nebst dem „Auffänger“ mit Musikbegleitung in das Haus des „Hochzeiters“ (Bräutigams) geleitet. Ist sie aus einem anderen Orte gebürtig, so wird sie in einem Gefährte, das nicht selten von ledigen Burschen und andern Personen zu Pferd und zu Wagen und von Musik begleitet wird, abgeholt. Im Hause des Bräutigams wird sodann, ehe der festliche Zug in die Kirche stattfindet, die sog. Morgensuppe, aus Kaffee, Wein, Brod, Käse etc. bestehend, eingenommen. Während des Abholens der Braut und des Gangs in die und aus der Kirche werden fortwährend von ledigen Burschen Pistolen abgefeuert. In einigen Orten eröffnen sogar die „Schießer“ den Hochzeitszug. An den Altar begibt sich die Braut und der Bräutigam jedes für sich oder erstere vom „Brautführer“, einem mit ihr verwandten verheiratheten Manne, geführt. Vom Altar wird sie vom Brautführer, oder, wenn sie keinen solchen hat, vom „Auffänger“, einem ledigen Burschen, abgeholt, worauf sich der Zug, die Gespielin gleichfalls am Arm eines „Auffängers“, der Bräutigam und Gesell allein, in das Wirthshaus begibt. Hier eröffnen 2 oder 3 Paar den Tanz, nämlich der Brautführer oder Auffänger und die Braut, ein anderer Auffänger und die Gespielin und hie und da der Geselle und ein anderes von ihm gewähltes Mädchen. – Die Brautleute, Gespielinnen, Gesellen, Brautführer und Auffänger tragen künstliche Blumensträuße oder vergoldete Rosmarinstengel an der Brust und zwar das weibliche Personal auf der rechten, das männliche auf der linken Seite, letzteres zugleich einen Strauß auf dem Hut. – In manchen Orten trägt die Braut und Gespielin einen eigenthümlichen kranzförmigen, aus künstlichen Blumen und Flittergold zusammengesetzten Kopfputz, die sog. Schappel. Beim Weggehen der angeseheneren, besonders auswärtigen Hochzeitsgäste aus dem Wirthshause werden denselben von einem Theile der Musikanten vor der Hausthüre oder aus den Fenstern noch ein oder einige lustige Stücke aufgespielt. – Bei Kindtaufen werden gleichfalls vielfach Pistolen während des Taufzugs abgefeuert. In einzelnen Orten wird es ärmeren Kindern nachgesehen, daß sie den Taufzug die Straße durch Vorhalten einer Stange oder eines quer ausgespannten Bandes absperren und gegen Entrichtung eines kleinen Geschenks von Seiten des Vaters wieder öffnen. – Nach der Taufe wird im Hause der Eltern oder im Wirthshause ein Schmaus, die sog. Taufsuppe, abgehalten, der meist aus einer vollständigen Mahlzeit mit Wein und nachfolgendem Kaffee und dickem Kuchen besteht, von welchem die Gäste,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 062. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_062.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)