Seite:OAB Oberndorf 023.jpg

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Noch großartiger, wildromantischer als das Lauterbach-Thal ist die als Gebirgsthal vollendete Berneck mit ihren zahllosen, seltsam gebildeten Felsgruppen; gleich beim Eintritt in das enge Waldthal erhebt sich zur Rechten ein ganzes Felsenfeld mit den malerischen Trümmern der Burg Falkenstein und deren ausgedehnten, bis zur Thalebene herabziehenden, zwischen Felsen hineingezwängten Vorwerken. Am Fuß liegt still das bescheidene Schramberger Bad, die einzige menschliche Wohnung in der engen abgeschiedenen Thalschlucht, in der man nur noch das Rauschen der über Granitblöcke in jugendlicher Wildheit hinstürmenden Schiltach vernimmt. Die schönste Partie in der Berneck ist die sogenannte Teufelsküche; groteske Granitfelsen starren wildverworren, Thürmen ähnlich, in die Höhe und auf einem der kühnsten stand einst die längst abgegangene Burg Berneck. Gegenüber hat die kräftige Schiltach eine Felswand unterwühlt und sich hier zu einem kleinen Becken geschwellt, dessen klare Wellen von dem überhängenden Steinkoloß ernst beschattet werden.

Überwältigt von der großartigen Natur dieser Thäler übersieht der Wanderer leicht die allerschönsten Einzelnheiten, wir meinen hauptsächlich die herrliche Vegetation, die sich hier in seltener Mannigfaltigkeit und Schönheit ausbreitet. Zwischen den starren Felsen drängt sich, wo nur immer eine Lücke, der wild verwachsene Wald bis zu dem munteren Bach herab, an dem wasserliebende Pflanzen ihre breiten Blätter und saftigen Stengel in vollster Üppigkeit entfalten. Selbst die Felsen sind an vielen Stellen auf’s schönste von der alles belebenden Pflanzenwelt verziert; hier rankt glänzend grünes Epheu, dort klammert sich die vielverzweigte Waldrebe an und senkt ihre leichten, mit schönen Blüthen reich bedeckten Zweige in reizenden Partieen nieder zur Erde. Aus den Ritzen brechen die schlanken Wedel der verschiedensten Farnkräuter hervor, Steinbreche und andere Felsenpflanzen entfalten hier ihre zarten Blüthen. Zuweilen haben auch Waldbäume auf hohen Granitspitzen noch Wurzel geschlagen und ragen majestätisch in die freie Luft, und zudem überziehen Flechten und Moose die nackten Steinflächen mit den verschiedensten, oft prachtvollen Farben.

Von den unzähligen Aussichtspunkten nennen wir nur die bedeutendsten und zwar: den Hegelberg, Kreuzberg und Bollerberg auf der Markung Alt-Oberndorf, mehrere Punkte bei Beffendorf, das Postenhölzle auf der Mark. Bochingen, auf Höfingen, Kapf und Schenkenberg auf der Mark. Epfendorf, auf dem Weg von Fluorn nach Hochmössingen, bei Hardt, auf vielen Stellen bei Hochmössingen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 023. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_023.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)