Seite:OAB Oberndorf 073.jpg

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Fabrikarbeiten angewiesenen Thalbewohner. Dasselbe gilt auch vom weiblichen Geschlechte, das in den höher gelegenen, vorzugsweise Feldbau treibenden Orten im allgemeinen naturwüchsiger und kräftiger ist, als in den Thalorten. Die weibliche Jugend hat daher im Durchschnitt ein gutes, selbst blühendes Aussehen. Von Krankheiten des weiblichen Geschlechts, die mit dem Sexualsystem zusammenhängen, wie Bleichsucht, Blutarmut etc. weiß man auf dem Lande wenig; diese sind in der Stadt und in Fabriken mehr Gegenstand der Beobachtung. Auch im gewöhnlichen Umgang und Verkehr sind die Bewohner des Bezirks verschieden; während die Thalbewohner, insbesondere in Schramberg, leichte Beweglichkeit und Gewandtheit in ihrem Benehmen zeigen, gehen den auf der Höhe wohnenden Bezirksangehörigen, obwohl sie im allgemeinen umgänglich sind, die feineren Manieren mehr oder weniger ab.

Nach einer 24jährigen Durchschnittsberechnung von den Jahren 1834–1857[1] waren in dem Bezirk unter 100 Konskriptionspflichtigen 12,03 wegen mangelnder Größe untüchtig, so daß derselbe unter den 64 Oberämtern des Landes die 43. Stelle einnimmt und somit zu den ungünstigeren gehört (die günstigsten Ergebnisse lieferte Wangen mit 4,22, die ungünstigsten Weinsberg mit 18,83). Wegen Gebrechen waren unter 100 Pflichtigen 48,56 untüchtig, so daß in dieser Beziehung der Bezirk unter den 64 Oberämtern die 13. Stelle einnimmt, und somit zu den günstigen gehört (die günstigsten Ergebnisse lieferte Saulgau mit 32,99 und die ungünstigsten Sulz mit 49,78). Überhaupt untüchtig waren 60,59, so daß in dieser Beziehung der Bezirk die 59. Stelle einnimmt (die günstigsten Resultate lieferte Saulgau mit 37,76, die ungünstigsten Freudenstadt mit 63,86). Unter sämtlichen der ärztlichen Visitation und dem Messen unterworfenen Konskribirten (von 1834/57: 4147) waren 499 wegen mangelnder Größe, 2014 wegen Gebrechen, im Ganzen 2513 untüchtig.

Der Gesundheitszustand ist nicht ungünstig, auf den Hochebenen jedoch ein besserer als im Thale, namentlich in Schramberg, wo der größere Theil der Bewohner in den verschiedenen industriellen Etablissements beschäftigt ist. Zu den gesundesten Orten gehört die Stadt Oberndorf, die auf einem Tuffsteinfelsen ruht. Seit 30 Jahren und noch länger weiß man hier nichts von epidemischen Krankheiten, wie Nervenfieber, Ruhr, Pocken, Cholera etc. Selbst das Scharlachfieber unter den Kindern ist noch nie in erheblichem Maße aufgetreten;


  1. S. Württ. Jahrb. 1857. S. 158.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 073. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)