Seite:OAB Oberndorf 076.jpg

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im Bezirke nicht von Bedeutung ist, nur in obstreicheren Jahren und auch in diesen nicht in der Ausdehnung, wie Bier und Wein getrunken. Im allgemeinen ist die Bevölkerung im Genuß geistiger Getränke ziemlich mäßig und Excesse kommen in Folge desselben hauptsächlich nur an Märkten, Kirchweihen, Hochzeiten, zum Theil auch an Sonn- und Feiertagen vor; indessen gibt es einzelne Orte, die sich durch lobenswerthe Nüchternheit auszeichnen und wo der Wirthshausbesuch selten ist. Der Kaffee wird häufig genossen, bildet aber mehr ein Nahrungsmittel als ein Getränke, weil dabei viel Brod genossen wird. 1

Der moralische Charakter der Bezirkseinwohner ist im allgemeinen gut; großer Fleiß, Sparsamkeit und viel kirchlicher Sinn sind vorherrschend. Nebenbei fehlt es ihnen nicht an heiterem Sinn, Geselligkeit und freundlichem Entgegenkommen. In den gewerbereichen Orten sind die Leute in Folge des vielen Verkehrs mit Nah und Fern gewandter als in den eigentlichen Bauernorten, sie interessiren sich auch mehr um Tagesneuigkeiten und politische Ereignisse und haben überhaupt mehr einen städtischen Sinn. Im westlichen Theil des Bezirks wo so viele vereinzelte Wohnsitze vorkommen und daher die Bewohner weniger mit Anderen verkehren, trifft man häufig noch ein ganz einfaches patriarchalisches Leben. Die Vorliebe zum Gesang ist auch hier, wie überhaupt in Schwaben, allgemein und beinahe in allen Orten bestehen Gesangvereine. Tanzbelustigungen finden bei Hochzeiten, Kirchweihen, an Festtagen, wie am Oster- und Pfingstmontag, in der Fasnacht etc. noch häufig statt; in einzelnen Orten sind Maien- und Kinderfeste üblich. Ganz allgemein ist das Kegelspiel, auch das Kartenspiel hat viele Verehrer und das Scheibenschießen wird in größeren Orten gerne getrieben. Zur Fasnachtzeit werden in Oberndorf, Schramberg und in einigen kleineren Orten, wie z. B. in Bochingen, Maskeraden etc. aufgeführt; besonders dafür eingenommen sind die Bewohner der Oberamtsstadt, die schon 2–3 Wochen vor der Fasnacht maskirt in die Häuser, namentlich in die Wirthshäuser gehen und daselbst den Leuten „aufsagen“, d. h. begangene Fehltritte, Thorheiten, die sich jemand während des verflossenen Jahrs zu Schulden kommen ließ, aufdecken und ins Gedächtniß zurückrufen. In den beiden letzten Fasnachtstagen kommen dann die Vermummungen, welche zum Theil sehr hübsch gewählt sind, erst recht auffallend zum Vorschein, indem oft 20 und mehr Personen in den Straßen herumziehen, die Wirthshäuser besuchen und zuweilen Fasnachtspiele aufführen. Dabei wird von den sog. Schandle- und Hanselmasken, die mit ihren

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 076. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_076.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)