Seite:OAB Oberndorf 144.jpg

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Giebeln und malerischen hölzernen Galerien (Altanen). Gegen Westen ist hauptsächlich der durch die Felsen gebrochene Graben noch erhalten. Die Stadt hatte zwei mit Thürmen versehene Thore, das obere Thor an der Westseite und das Kirchthor an der Südostecke, bei der Kirche, und außerdem ein Pförtchen, das Mühlthörle, gegen das Augustiner Kloster hin. Das obere wurde 1820, das Kirchthor 1839 abgebrochen, letzteres war 60′ hoch, ganz von Stein und hatte einen gewölbten, 21′ breiten und 20′ hohen Durchgang. Zu diesen Thoren führten früher hölzerne Aufziehbrücken, die am oberen war 60′, die am Kirchthor 100′ lang. Auch die Vorstadt hatte ehemals Thore; das untere Thor stand dem Wirthshaus zum Waldhorn gegenüber und Urkunden von 1569 und 1605 nennen ein Schmiedthor oder Schmiedthörle am unteren Wöhrd. Von den Thürmen der Stadtmauer steht noch südöstlich von der Kirche ein rundes Thürmchen, das einst die Südostecke der Stadtmauer bildete, es hat an seinem Thürsturz die Jahreszahl 1533 und enthält in seinem oberen Gelasse das städtische Archiv; ferner der an der südwestlichen Ecke stehende sog. Schäferthurm, ein viereckiger, 45′ hoher Bau, jetzt zu Privatwohnungen eingerichtet und von der Gemeinde vermiethet. An der nordwestlichen Ecke der Stadt stand der Hexenthurm, welcher 1793 verkauft und zu einer Hafnerhütte benützt wurde.

Betreten wir nun die eigentliche Stadt, so erfreut sie uns durch ihr reinliches freundliches und wohlgeordnetes Aussehen; sie ist regelmäßig mit breiten, ebenen, sich rechtwinkelig durchkreuzenden Straßen erbaut, an denen meist mittelgroße hübsche städtische Häuser dicht gedrängt stehen, die großentheils nach dem Brande vom 1. Juli 1842 errichtet wurden. Die gutgehaltenen Straßen sind theils gepflastert, theils chaussirt und gekandelt, und durch die meisten von ihnen fließen in der Mitte, reinlich gefaßt, klare lebendige Bäche.

Die Stadt selbst bietet keine weiten Ausblicke, doch verschiedene malerische Partieen; sei es, daß man vom Rande der Stadt hinabblickt in die tiefen, nur zum Theil angebauten Schluchten und in das freundliche Neckarthal, oder daß man in der Tiefe stehend die Stadt aus der Kuppe des Hügels herauswachsen sieht. Auf den umliegenden Höhen hat man dagegen schöne Fernsichten, am schönsten und großartigsten auf dem nördlich von Beffendorf gelegenen Kuzbühl; man erblickt von hier aus die langen Höhenzüge des Schwarzwaldes, die fruchtbare Fläche des oberen Gäues mit dem Schloß Herrenberg, sodann die Albkette vom Hohenzollern bis zu den Heubergen und

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_144.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)