Seite:OAB Oberndorf 280.jpg

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an den bald breiten, bald wieder sehr engen, gutgehaltenen, theilweise gekandelten Straßen. Auf dem sog. Schänzle an der badischen Grenze eröffnet sich eine prachtvolle Fernsicht das Kinzigthal hinab bis zu den Vogesen und gegen Süden hin an die Alb und den Heuberg.

Die freundliche, dem h. Johannes geweihte Kirche steht etwas erhöht in der Mitte des Dorfes auf dem alten Friedhofe. Das Schiff ist in schlichtem Rundbogenstil erbaut und im Westen halb achteckig geschlossen; über dem südlichen Eingange steht 1774, das Jahr der Erbauung. Der auch vieleckig schließende Chor dagegen ist ein treffliches spätgothisches Bauwerk, das auf einen hervorragenden Baumeister schließen läßt; er hat schöne, sehr schlanke, eigenthümlich gefüllte Spitzbogenfenster; in dem gegen Südosten sitzt auf der Fensterbank ein uraltes Steinbild, Maria mit dem Kinde, das der Baumeister des Chors von der alten Kirche her hier wieder aufstellen ließ, und in dem gegen Süden heraustretenden Strebepfeiler, dem einzigen am Chore, ist ein Stein eingemauert mit einer lateinischen, höchst merkwürdigen Inschrift, wonach die Kirche den 18. Mai 1128 durch den Bischof Ulrich II. von Constanz eingeweiht wurde.

Innen zeigt das Schiff eine flache Decke; zwei ihrer hölzrenen Emporenpfeiler ruhen auf sehr schönen römischen Säulenbasen attischer Ordnung, die auf dem nahen Schänzle ausgegraben wurden. Der Triumphbogen ist spitz und ward mit dem Chor errichtet; dieses hat ein herrliches spätgothisches Netzgewölbe mit dem Zeichen des Baumeisters auf dem ersten Schlußsteine. An der Nordwand des Chores ist ein schönes steinernes Sakramenthäuschen in demselben Geschmacke angebracht und daneben führt ein hübsches Stabwerkspförtchen in die alte Sakristei, die von einem Rippenkreuzgewölbe mit Rosettenschlußstein überspannt wird. Der Taufstein ist hohl, achteckig und schön gothisch verziert, er trägt die Jahreszahl 1487, an einer Ecke seines Fußes ist eine Fledermaus ausgemeißelt. Auf dem Boden liegt die Grabplatte eines Geistlichen, in die ein einfaches Kreuz, ein Kelch und die Jahreszahl 1470 geritzt ist. Hinten im Chore findet sich ein altes Bild, Christus auf ein ausgeschnittenes Brett gemalt. Auf der westlichen Empore steht die schöne gothisch gefaßte Orgel, verfertigt von Braun in Balingen. Die neugetünchte Kirche macht einen recht freundlichen Eindruck. Der Thurm steht südlich am Chore, ist dreistockig, spätgothisch und mit vierseitigem Zeltdache bedeckt; sein drittes Geschoß hat gefüllte Spitzbogenfenster; im Gewände des südlichen Fensters sitzt der Rechberg’sche Wappenschild, an

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_280.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)