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ein Kind, so trägt es gewöhnlich die Pathin auf den Kirchhof und muß dafür einen kleinen Lohn annehmen, damit das Kind besser ruht. Auf Kindersärgen und Gräbern ist Schmuck von Blumen und Kränzen regelmäßig, in einzelnen Orten kleine Kreuze aus Hobelspähnen oder Papier und vergoldet. In Winterlingen kommen beim Tod von jungen Leuten die Altersgenossen Abends vor das Trauerhaus und singen geistliche Lieder. Schüler werden von Mitschülern zu Grabe getragen. Bei Leichen von Erwachsenen wachen Freunde und Nachbarn. Der, welcher den Todesfall dem Pfarrer anzeigt, behält in einigen Orten den Hut auf und hält ein zusammengefaltetes weißes Tuch in der Hand. Beim Leichengottesdienst hat der nächste Anverwandte oder dessen Stellvertreter auch in der Kirche den Hut immer auf dem Kopf, selten auch alle männlichen Leidtragenden. Die Weiber stehen in vielen Orten an den Sonntagen, welche dem Leichengottesdienst folgen, in die Trauerstühle meist so lang, bis sie von anderen abgelöst werden. In Endingen wird den Sargträgern vor dem Haus der Lohn auf die Bahre gelegt und nehmen sie denselben weg, bevor sie den Todten aufheben. In Balingen, wo Frauen selten eine Leiche auf den Kirchhof geleiten, findet sich die liebliche Sitte, am 16. Sonntag nach Trinitatis mit dem Evangelium Luk. 7, 11 ff., die Auferweckung des Jünglings zu Nain, auf dem Kirchhof eine Todtenfeier zu halten und wird der Gottesdienst an diesem Sonntag in der Gottesackerkirche gehalten. Die Gräber werden mit Blumen und Kränzen geschmückt. In Truchtelfingen wird den Verstorbenen heute noch etwas Unvergängliches in den Sarg gelegt, ein Glas- oder Töpfergeschirr. Abergläubische Gebräuche sind wenige. Im Hause muß das Essig- und Mostfaß, Krautstande, Bienenkörbe, Milchhäfen u. s. w. von der Stelle gerückt und bewegt werden, damit es nicht auch todt d. h. unbrauchbar wird. Selten werden dem Todten Krankheiten in Zetteln oder sonstiger Form ins Grab mitgegeben, daß sie aufhören, wie z. B. bei Warzen der Spruch lautet: „Warz nimm ab, wie der Todte im Grab.“ Weit häufiger macht sich der Aberglaube mit den Verstorbenen zu schaffen nach dem Begräbnis und gönnt ihnen keine Ruhe im Grab.


Sagen und Aberglaube.[1]
1. Geister- und Gespenstersagen.

Auf dem Balinger Kirchhofe ist schon dreimal ein und derselbe Leichnam eines Mannes unverwest wieder ausgegraben worden; er streckte 3 Finger in die Höhe, wie beim Schwören. Diese 3 Finger waren schwarz und hatten lange Nägel. Man hat schon versucht, die Hand in eine andere Lage zu bringen und hat deshalb den Leichnam umgekehrt, allein er dreht sich immer wieder herum und hebt die drei


  1. M. = E. Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche in Schwaben. B. = Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben 1861 f. Derselbe, Aus Schwaben 1874.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)