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Gemmrigheim,
Gemeinde III. Kl. mit 1074 Einw. Evang. Pfarrei.

Das ziemlich große, mit reinlichen, gekandelten Straßen versehene Pfarrdorf, dessen Wohnungen gerade nicht ansehnlich, jedoch meist mit steinernen Unterstöcken erbaut sind, liegt 3/4 Stunden nördlich von der Oberamtsstadt an einem ganz leicht geneigten, westlichen Abhange auf der rechten Seite des Neckars, der nahe am Ort vorbeifließt. Im Rücken (östlich) des Dorfs erheben sich steile, mit Reben bepflanzte Thalwände, während die gegenüberliegenden Thalgehänge von den Wellen des Neckars bespült werden, so daß dem hier schon großgewachsenen Fluß kaum der Durchgang zwischen dem Ort und den linken Thalabhängen gestattet wird. Derselbe wird daher bei Überschwemmungen nicht nur den in dem Thale gelegenen Feldern, sondern auch dem Ort gefährlich und hat namentlich im Jahr 1824, wo die Gewässer 30′ über den gewöhnlichen Neckarspiegel gingen und das halbe Dorf unter Wasser setzten, große Verwüstungen angerichtet.

Das Dorf ist auf drei Seiten mit einer Mauer, an deren Außenseite ein Graben hinzieht, umgeben und nur auf der Neckarseite offen, an welcher der natürliche Schutz, den der Fluß gewährt, eine künstliche Befestigung entbehrlich machte. Von den drei Thoren ist eines an der östlichen und eines an der südlichen Seite noch vorhanden, während das an der Nordseite abgebrochen wurde. Mitten im Dorf befindet sich ein mit einer 6–7′ hohen Mauer umgebenes Gut (der sog. Klostergarten), das früher für den Weinbau benützt wurde, daher das Sprichwort, daß in keinem Ort des Landes so viel Wein wachse, wie in Gemmrigheim. Später wurde der Platz in Baumgärten umgewandelt, vor zehn Jahren hat man angefangen ihn zu überbauen. Die Aussicht, welche der Ort darbietet, ist zwar keine ausgedehnte, aber eine sehr liebliche zu nennen, indem man dem gesegneten Neckarthale entlang aufwärts Wahlheim und im Hintergrunde Besigheim mit seinen ehrwürdigen Thürmen, thalabwärts Kirchheim und westlich von diesem Hohenstein mit dem hochgelegenen, weiß getünchten Schloß erblickt. Die Ansicht des Orts selbst ist von der Südwestseite eine sehr freundliche. Am südöstlichen Ende des Orts steht etwas erhaben die Pfarrkirche, welche, abgesehen von noch späteren Veränderungen, zwei Perioden, der spät-romanischen und der spät-germanischen, angehört. Der viereckige Thurm ist, mit Ausnahme des aus Holz aufgebauten obersten Stockwerkes, massiv aus Steinen erbaut und trägt ein schlankes, spitzes Zeltdach. Das unterste Stockwerk hat ein einfaches Kreuzgewölbe mit hervortretenden cylindrischen Gurten,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Besigheim. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1853, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABesigheim0177.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)