Seite:OABesigheim0258.jpg

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Bei dem Wiederaufbau der Kirche wurden die Seitenschiffe in gleicher Höhe mit dem Mittelschiff aufgeführt und die Fenster größtentheils in den spät-germanischen Styl geändert, wodurch zwar mehr Raum und Licht gewonnen wurde, dagegen an Schönheit und Harmonie Vieles verloren ging. An der westlichen Giebelseite des Langhauses befindet sich noch der ursprüngliche, hohe spitzbogige Eingang mit reicher Gliederung, während die Fenster in rundbogige, in den Bogentheilen gefüllte umgewandelt wurden; oben in dem Giebelfelde sind zwei gekuppelte, geradlinige Fenster und über jedem derselben die Jahrszahl 1567 angebracht, welche die Zeit des Wiederaufbaus oder vielmehr der Restauration bezeichnet. An derselben Seite befindet sich auch eine schön construirte Sonnenuhr mit der Jahreszahl 1506, über einer spitzbogigen Nebenthüre steht 1609. Die Langseiten des Schiffs haben ziemlich breite, gedrückt spitzbogige Fenster mit Bogenfüllungen, welche, wie die Form der Fenster selbst, den spät-germanischen Baustyl bezeichnen; die sehr spitzen Eingänge dagegen sind noch von der ursprünglichen Kirche erhalten, aber ihrer Füllungen leider beraubt worden. An der Südseite der Kirche sind noch folgende Denkmale der Vorzeit vorhanden: 1) eine sehr alte, in die Quadersteine eingehauene Sonnenuhr, 2) neben einem Eingang die Inschrift „Anno dom. 1415 obiit Conrad Bering. Irmengard uxor sua dns. Johannes filius eorum.“ 3) Der sog. Ölberg, die Gefangennehmung Christi in Stein ausgeführt, welche trotz ihrer bedauernswürdigen Verstümmelung doch noch den gewandten Meister bekundet; dieses Steinbild befindet sich in einer Wandnische mit schön construirtem Netzgewölbe, auf dessen Schlußstein eine Jungfrau mit fliegenden Haaren, ein Messer in der Rechten haltend, abgebildet ist.[1] 4) An einem Strebepfeiler steht die räthselhafte, unvollendete Inschrift: „Anno dom. 1529 Jar do der Neker so gos was und Du“; ohne Zweifel auf den hohen Wasserstand, der in dem angegebenen Jahr auch die Brücke zerstörte, sich beziehend (s. oben). Der fünfseitig schließende Chor mit einfachen Strebepfeilern und schmalen, im rein germanischen Styl gehaltenen Spitzbogenfenstern stammt noch von der früheren Kirche und ist in seiner ursprünglichen architektonischen Reinheit erhalten worden. Auf dem Gewölbe zwischen Mittelschiff und Chor erhebt sich der massive, viereckige Thurm, an dessen oberstem Stockwerke (Glockenhaus) theils veränderte, theils rein erhaltene germanische Fenster vorhanden sind; zwei besonders schöne Fenster, welche früher, ehe die Seitenschiffe


  1. Der Ölberg wurde 1307 von Meister Hanß Steinmetz zu Heilbronn um 80 fl. gefertigt, wozu noch die Kosten der Aufrichtung kommen (Stadtchronik).
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Besigheim. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1853, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABesigheim0258.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)