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halbenglischen und Landrace und erlaubt einen mäßigen Verkauf an gemästeten Schweinen und Ferkeln.

Von Anstalten besteht außer der Volksschule noch eine Arbeitsschule, in der den Winter über Mädchen von 5–14 Jahren im Stricken, Nähen und Häckeln unterrichtet werden.

An besonderen Stiftungen sind 743 fl. vorhanden, deren Zinse nach dem Willen der Stifter meist zu Armenzwecken verwendet werden, mit Ausnahme von 50 fl., von denen der jeweilige Ortsgeistliche die Zinse erhält und von 71 fl., von denen sie dem Schulmeister zukommen.

Ein alter Römerweg, der von Hausen herkommt, führt durch den Ort und weiter, unter dem Namen „Rittweg“, in der Richtung gegen Groß-Gartach. Ein anderer alter Weg führt den Namen Diemenweg.

Der Ort bildete früher einen Bestandtheil der Markungen von Nordheim und Hausen und wurde erst im J. 1700 durch Waldenser aus Piemont gegründet. Diese wurden bekanntlich um ihres evangelischen Glaubens willen in ihrer Heimath durch den Herzog Victor Amadeus II. von Savoyen unter französischem Einflusse sehr bedrängt, beziehungsweise verjagt, und wurden nach längeren Verhandlungen zum Theil in Württemberg, besonders in den Ämtern Maulbronn und Leonberg aufgenommen, wobei sie solches Land als Geschenk erhielten, welches in Folge der Kriege des 17. Jahrhunderts ungebaut und herrenlos war. Diejenigen Waldenser, welche sich gerade in dieser Gegend niederließen, kamen etwas nach den anderen an, da sie zuvor in dem gräflich isenburgischen und wächtersbachischen Orte Waldenburg sich hatten niederlassen wollen, daselbst aber auf Anstände stießen. Sie stammten besonders aus der Stadt Pragela und den Gemeinden Mentoules und Usseaux in dem ebenfalls Pragela oder Cluson genannten Thale, welches an die im Westen von Piemont gelegenen Thäler Perouse und St. Martin gränzt. Am Feiertage Johannis des Täufers 1700 ließen sich 55 solche Familien, aus etwa 200 Köpfen bestehend, hier nieder, auf Grund des die Rechtsverhältnisse der Waldenser überhaupt ordnenden Concessionsbriefes des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg vom September 1699.[1] Der Ort erhielt seinen Namen nach seiner Lage, doch führten noch lange die verschiedenen Theile desselben im Munde der älteren Personen die heimatlichen Namen: der obere hieß Usseaux, der mittlere Mentoules und der untere La Ville; heutzutage wird dieser letzte noch „das Städtle“ genannt.


  1. Vrgl. über die Aufnahme, die Rechtverhältnisse und die Geschichte der Waldenser in Württemberg im Allgemeinen: Württ. Jahrb. Jahrg. 1868, S. 183 ff. und die daselbst angegebene Litteratur.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0359.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)