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Johannischörlein mit der Sacristei und die Sachsenkapelle (von der Familie Sachs). Epitaphen sind in großer Zahl vorhanden, viele sind in neueren Zeiten weggeschafft worden. Zu beiden Seiten der Kirche, und zwar der Tenne, erheben sich zwei Thürme, von welchem der südliche (der sog. Stein oder Wendelstein) die Wohnung des Wächters trägt, und schon 1386 das geheime Archiv der Stadt verwahrte. Er ist bis an den Kranz von sehr gefälliger Structur im Übergangsstyl. 1437 wurde der nördliche Thurm aufgeführt, bei dessen Bauart man sich offenbar nicht nach dem Geschmack der Zeit richtete, sondern den Styl des schon vorhandenen älteren berücksichtigte. Beide Thürme haben bis unter das Dach eine Höhe von 142′; das pyramidalische Schieferdach des nördlichen ist 60′ hoch, das Geläute ist stark und wohlklingend. Die große Glocke aber, von 107 Centner Gewicht, ist seit mehreren Jahren zersprungen. 1421 wurde sie erstmals, 1661 aber umgegossen. Die zwei übereinander angebrachten hölzernen und bedachten Brücken zur Verbindung der beiden Thürme, so wie die zwei Paare mächtiger Strebpfeiler zur Unterstützung jedes der beiden Thürme, welche im 16. und 17. Jahrhundert schon zu weichen begannen, tragen eben nicht zur Verschönerung des Ganzen bei. Der Begräbnißplatz, welcher die Kirche umgab, ging 1805 ein. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege, welche 1829 und in den folgenden Jahren bedeutende Ausbesserungen vornahm. Die Hochwacht auf dem südlichen Thurm gehört der Stadt und ist von dieser zu erhalten. 1

Die Frauenkirche, früher bloße Kapellkirche (Capella ad B. V. M.), seit 7. Juni 1811 katholische Pfarrkirche, in welcher sich jedoch die Protestanten einige Gottesdienste an Apostel- und Wochentagen vorbehalten haben[ER 1]. Diese Kirche mit ihrem prachtvollen Thurm, dem schönsten von den ganz zu Stande gekommenen Bauwerken aus der Zeit des vollendeten germanischen Baustyls, welche Württemberg aufzuweisen hat, ist mit Recht Eßlingens Stolz.[1] Der Magistrat, welcher sich an der Dionysius-Kirche, deren Eigenthum mit dem Patronat und Zehntrecht dem Domstift Speyer zustand, nie sehr erbaute, wollte eine eigene, der Stadt zuständige Kirche, und beschloß 1321 die schon seit längerer Zeit bestehende Marienkapelle vergrößern zu lassen. Weil aber der Bau größtentheils aus Privatbeiträgen bestritten werden mußte, so ging es


  1. Über das Geschichtliche dieses Werkes s. Pfaff: „Der Bau der Frauenkirche in Eßlingen und die Familie Böblinger“ in den württ. Jahrb. 1836 Heft II. S. 177 ff. Eine schöne Ansicht des Thurms zugleich mit einem Theil der alterthümlichen Stadt gibt Quaglio, Denkmäler der Baukunst. Heft 1.

Berichtigungen und Nachträge

  1. Korrigiert nach Beschreibung des Oberamts Nürtingen#Berichtigung: S. 100 der Oberamtsbeschreibung von Eßlingen ist dahin zu berichtigen, daß die Frauen-Kirche in Eßlingen die zweite evangelische Stadtpfarrkirche und, im unbestrittenen Eigenthum der evangelischen Stadtgemeinde, den Katholiken bloß zur Mitbenützung für ihren Gottesdienst eingeräumt ist.
Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Eßlingen. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAE%C3%9Flingen_100.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)