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Liebfrauen-Kapellkirche vor dem Vogelsangthor (1351), wenigstens 1798 nicht mehr vorhanden; zu den Siebenschläfern oder zum Elendbild (1515) an der Ebershalde, ihre Stelle bezeichnet ein Feldschützenhäuschen. Privatkapellen befanden sich in den Klosterpfleghöfen, s. hienach.

Von andern Gebäuden für öffentliche Zwecke sind folgende zu erwähnen:

Das Palais des k. Gerichtshofes für den Neckarkreis, vormaliges Rathhaus, in der Ritterstraße und an dem Neckarkanal. Auf derselben Stelle stand das alte, angeblich von König Heinrich 1233 erbaute Rathhaus, das 1701 bei dem großen Brande ein Raub der Flammen wurde. Der Grundstein zu dem gegenwärtigen ganz massiven Gebäude, dessen Architekt Johann Jakob Börl aus Straßburg, später in Verbindung mit Peter Joachim aus dem Vorarlbergschen war, wurde den 22. April 1705 gelegt. Im Äußern wurde der Bau schon 1708, der innere Ausbau aber erst 1730 vollendet. Das Ganze ist 200′ lang, 150′ breit und besteht aus dem Hauptgebäude und 2 Flügeln. Ein schöner sehr großer Saal, mit Bildwerken aus Stucco und Plafondgemälden reich geschmückt, war eine Hauptsehenswürdigkeit des stattlichen Gebäudes, ist aber jetzt zu einem Aktenmagazin eingerichtet und dadurch sehr beengt und entstellt. Bei der Ausscheidung des Staats- von dem städtischen Vermögen im Jahre 1803 fiel das Gebäude dem ersteren zu. Im Jahre 1806 zog das K. Criminaltribunal, 1807 der Criminal-Gerichtshof für den Neckar- und Schwarzwaldkreis, 1818 der Gerichtshof für den Neckarkreis in diese Räume ein.

Der Ritterbau, neben dem vorhin genannten Gebäude, war von dem Ritterkanton Kocher 1722–1725 zum Sitz seiner Kanzlei und seines Archivs erbaut,[1] mit der Façade gegen die Ritterstraße und zwei Flügeln gegen den Kanal. Das schöne, sehr solide Gebäude ist seit 1806 Staatseigenthum und jetzt dem Oberamtsgerichte und Oberamt zu Kanzleien und Beamtenwohnungen eingeräumt. Das Cameral-Amtsgebäude ist der ehemalige Constanzer-Hof, s. unten.

Als Rathhaus diente das am Markt gelegene, 1430 über der jetzt eingegangenen Fleisch- und Brodbude, aus Eichenholz erbaute Steuerhaus, dessen Hauptzierde ein künstliches Uhrwerk war (verfertigt von Jakob Diem in Tübingen 1586–89). Die 1610 nach der Angabe Heinrich Schickards erbaute städtische Kanzlei


  1. Auch besaß der Kanton hier eine nicht unbedeutende Bibliothek, die in der Folge in die Staatsbibliothek nach Stuttgart, zum Theil auch nach Tübingen kam.
Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Eßlingen. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAE%C3%9Flingen_104.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)