Seite:OAHerrenberg 035.png

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Übermuth und Hochmuth wird auch bei den Wohlhabenderen nicht getroffen.

Eigenthümliche Gebräuche und besondere Volksbelustigungen nehmen immer mehr ab, sogar der Tanz bei Hochzeiten, Kirchweihen und sonstigen Gelegenheiten wird seltener und hat in einzelnen Orten beinahe ganz aufgehört. In Gärtringen besteht die Sitte, daß den Tag nach jeder Hochzeit, sie mag mit Musik und Tanz oder in der Stille gefeiert werden, die ledigen Mädchen des Orts dem Brautpaar Lebensmittel (Mehl, Eier, gedörrtes Obst, Erbsen, Linsen etc.) zum Geschenk bringen. Bei dieser Veranlassung, welche man die Morgengabe nennt, wird dann mit den Kameraden des Bräutigams im Hause der Braut oder ihres Neuvermählten getanzt. Man sagt daher den Gärtringern scherzweise nach, daß sie sich wegen des Mehls verheirathen. In einzelnen Orten ziehen die zum Militär ausgehobenen Burschen den Tag vor ihrem Einrücken in die Garnison, unter Gesang und Begleitung von einem oder mehreren aufspielenden Musikanten, in den Dörfern herum, bei welcher Gelegenheit sie Geschenke (meist in Geld bestehend) von den Ortseinwohnern erhalten. In Gärtringen wird den unbemittelten Rekruten noch überdieß aus der Stiftungskasse ein Beitrag von 6–8 fl. gereicht. Das früher allgemein am Ostermontag übliche Eierlesen hat in den meisten Orten aufgehört und besteht nur noch in Herrenberg, Bondorf, Entringen und Mötzingen. Löblich ist die Sitte, daß man noch in den Orten beim Grauen des Tags und am Ende der Abenddämmerung zum Ave Maria läutet; jenes bezeichnet die Mahnung zur Arbeit, dieses ist Vielen noch eine Aufforderung zum Gebet.

Die altübliche ländliche Tracht, welche der städtischen, namentlich in der Oberamtsstadt und in den Orten Entringen, Gültstein, Poltringen und Unter-Jesingen, immer mehr zu weichen beginnt, in den übrigen Orten aber sich noch ziemlich erhalten hat, besteht bei den Männern meist in einem blauen tuchenen, nicht selten roth ausgeschlagenen Rock (zuweilen auch im Zwilchkittel) mit großen, platten, übereinander greifenden Metallknöpfen, gelben Lederhosen, Brusttüchern von Scharlachtuch oder schwarzem, auch braunem Manchester mit großen Rollknöpfen enge besetzt; als Kopfbedeckung dient der Dreispitz-Hut, bei den ledigen Burschen aber nicht selten die pelzverbrämte Mütze mit goldener Trottel. In Breitenholz und zuweilen auch in einigen andern Orten tragen ältere Männer noch die silberne Hemdschnalle und zwei silberne Hemdknöpfe. Bei Leichenbegängnissen und bei dem heiligen Abendmahl erscheinen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_035.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)