Seite:OAHerrenberg 277.png

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Wochentagen und in neuerer Zeit bei ungünstiger Witterung auch an Sonntagen, der Gemeinde zum Gottesdienst. Das Gebäude ist sehr alt, aber durch Veränderungen entstellt; von dem ursprünglich früh germanischen Styl derselben haben sich an dem Langhaus nur noch zwei spitzbogige Fensterchen, das mit einem halben Achteck schließende Chor, welches bedeutend über den First des Langhauses hervorragt, unverändert erhalten. Älter als die Kirche ist der an der Nordseite stehende massive, viereckige Thurm, in dessen unteren mit einem einfachen Kreuzgewölbe gedeckten Stockwerke ein uralter steinerner Altartisch sich befindet und zwei im romanischen Styl gehaltene Fenster mit tief eingehenden Gewänden und schmalen, rundbogigen Lichtöffnungen, angebracht sind; entstellend ist das in neuerer Zeit dem Thurm aufgesetzte, monströse, hölzerne Glockenhaus mit vorstehendem Zeltdach. Die beiden Glocken tragen die Namen der vier Evangelisten und eine davon noch überdieß die Jahreszahl 1436. Innen ist die Kirche weiß getüncht und wie auch das Chor, welches sein ursprüngliches Netzgewölbe verloren hat, flach getäfelt. An der südlichen Innenseite des Chors steht ein großartiges im Renaissancegeschmack aus Alabaster ausgeführtes, in neuerer Zeit leider weiß getünchtes Grabdenkmal, das beinahe die ganze Höhe der Wand einnimmt. Das Mittelbild stellt Jacob vor der Himmelsleiter dar, und oberhalb sind drei Wappen angebracht, von denen eines den Herren von Ehingen angehört; das Ganze ist mit Arabesken und schön gearbeiteten Figuren reich verziert.

In der Nähe der Clemenskirche ist frei und angenehm gelegen das Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Freiherrn von Ulm obliegt.

Das in den 1780ger Jahren erbaute Rathhaus, in welchem auch die Schulzimmer eingerichtet sind, steht an der Hauptstraße im südlichen Theil des Orts. Für den Lehrer an der Volksschule, neben welcher seit einem Jahrzehent noch eine Industrie-Anstalt besteht, ließ die Gemeinde im Jahr 1838 zunächst des Pfarrhauses eine eigene Wohnung herstellen.

Zwischen dem Dorf und der Pfarrkirche liegt angenehm in dem freundlichen Ammerthale das sehr ansehnliche, im einfachen Renaissancestyl von Heinrich Schickardt 1613 erbaute Schloß des Freiherrn von Ulm; den Haupteingang des Schlosses ziert das Wolkensteinische und das Ebersteinische Wappen, und an der nordwestlichen Ecke steht ein achtseitiger Erker hervor, während an den vier Ecken des Walmdaches kleine, mit Schiefer gedeckte Thürmchen emporstreben. Um das Schloß, – ein sog. Wasserschloß – lauft im Vierecke ein ausgemauerter, gegenwärtig zu einem Garten

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_277.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)