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auf dem weitgedehnten, fruchtbaren Ackerlande, das unter dem Namen „Strohgäu“ bekannt ist. Es ist etwas unregelmäßig angelegt, allein die größtentheils aus Holz gebauten, zum Theil mit steinernem Unterstock versehenen Wohnungen haben meist ein stattliches, Wohlhabenheit verrathendes Ansehen. Sehr gutes Trinkwasser liefern 3 laufende und 4 Pumpbrunnen; einzelne derselben fließen periodisch stärker, welche Ergiebigkeit, wie bei den sogenannten Hungerbrunnen, einen unfruchtbaren Jahrgang zur Folge haben soll. Der Burggraben des ehemaligen Schlosses bildet einen See; auch sind auf den Fall der Feuersgefahr 2 Wetten vorhanden. Etwa 3/4 Stunden südöstlich vom Ort liegt ein zur Schafwasch benützter See, der eine mit Gehölz bewachsene Insel umschließt.

Die Pfarrkirche steht am südlichen Ende des Orts, auf dem ehemaligen Begräbnißplatz (Kirchhof), welcher theils von einer Mauer, theils von Häusern umgeben ist. Sie wurde nach einer über dem westlichen Eingange angebrachten Jahreszahl 1488 erbaut, brannte aber 1643 aus, so daß nur die Wände des Langhauses, der Chor und der Thurm stehen blieben. Diese und spätere Veränderungen ließen an der Kirche von ihrer früheren germanischen Bauweise nichts mehr übrig, als den mit einem halben Sechseck schließenden und mit Strebepfeilern versehenen Chor. Das Innere der Kirche ist geräumig, jedoch nicht besonders hell und durch Emporkirchen etwas verbaut. Von dem Schiff führt ein Triumphbogen in den schön construirten Chor, an dessen Netzgewölbe in der Richtung von Westen nach Osten auf den Schlußsteinen sich darstellen: 1) Johannes der Täufer; 2) das württembergische Wappen; 3) Christus (Ecce homo); 4) eine durchbrochene Rosette; 5) Maria mit dem Christuskinde und 6) ein Engel, der ein (unbekanntes) Wappen hält. An der südlichen Wand des Chors befinden sich mehrere, gut in Stein ausgeführte Grabdenkmale der v. Münchingen und der v. Harling, welche ihre Familienbegräbnisse hier hatten, und zwar:

1) Ein knieender Ritter, Christoph Philipp von Münchingen und Hochdorf, freier Reichsritterschaft des Schwarzwald- und Neckarviertels Director etc. † d. 18. Mai 1631.

2) Eine Dame mit zwei Kindern, im mittelalterlichen Costume, Anna Maria, geb. Reischach von Reichenstein, erste Gemahlin des Obigen. † d. 29. Juni 1588, und ihre Kinder, Jakob Werner von Münchingen, † d. 3. Mai 1587, und Anna von Münchingen, † d. 4. Mai 1587.

3) Eine jungfräuliche Dame mit einem Edelknaben, ebenfalls Kinder der Anna Maria geb. Reischach etc., Philipp von Münchingen, † den 18. Juli 1596, und Ursula von Münchingen, † d. 8. Mai 1606.

4) Eine ältere Dame, eine geb. von Felldorf, die zweite Gemahlin des obigen Christoph Philipp von Münchingen, † d. 2. Nov. 1621.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Leonberg. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALeonberg_210.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)