Seite:OAMaulbronn0129.jpg

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In dem abgeschiedenen, scharf eingeschnittenen, engen Salzachthale, dessen nördliche Gehänge meist mit üppigen Laubwäldern bestockt, die steileren südlichen aber mit Reben bepflanzt sind, liegt wie hineingezwängt das noch rings ummauerte Kloster. Gegen oben (Osten) verengt sich das Thal noch mehr und gestattet nur dem zunächst oberhalb des Klosters angelegten langestreckten Tiefensee die ganze Thalbreite auszufüllen, bis es sich in eine zwischen flachem Ackerland hinziehende, scharf eingefurchte Rinne verläuft, während es unterhalb Maulbronn, nach Westen hin, sich mehr und mehr erweitert und mit seinen frei vortretenden Waldbergen und rebenreichen Vorsprüngen anmuthige Landschaftsbilder gewährt.

Ausgedehnte Fernsichten bieten sich nirgends, ja kaum eine günstige umfassende Ansicht des Klosters, aber viele schöne Spazierwege führen durch die nahen üppigen Laubwaldungen und um die großen, schon von den Mönchen in der Nähe des Klosters angelegten Weiher, welche, zwischen Feldern oder an einsamen Waldsäumen liegend, die Stille und den träumerischen Ernst der Landschaft noch vermehren.

Der Ort besteht theils aus dem mit einer Mauer umfriedigten, zu dem ehemaligen Kloster gehörigen Gebäudecomplex, theils aus zwei nicht großen Häusergruppen, die sich im Westen und Osten desselben außerhalb der Mauer angesiedelt haben; zu der östlichen Gruppe gehört auch der ehemalige Kloster-Schafhof, dessen Gebäude mit einer besonderen Mauer umschlossen und wohl von den wenigen waren, die ursprünglich außerhalb der eigentlichen Klostermauern lagen.

Selten ist eine Klosteranlage so vollständig und so gut erhalten, wie Maulbronn, man vermag sich hier noch ganz in das klösterliche Leben mit Allem was dazu gehörte hinein zu versetzen, denn nicht bloß die Kirche und die eigentlichen Klosterräume stehen noch aufrecht, nein auch alle die stattlichen Nebengebäude, die einst den reichen Klosterhaushalt vermittelten, sind noch vorhanden, und daß sie noch stehen, verdanken sie zuvörderst wieder dem weitherzigen gediegenen Sinne des Mittelalters, der Alles wie für ewige Dauer herstellen ließ. Von welcher Seite man sich nun auch nähert, so erscheint die Klosterkirche, obwohl sie keinen Thurm, nur einen Dachreiter über der Vierung besitzt, beherrschend und zwar durch ihre Größe, wie durch den Ernst ihrer Verhältnisse und die Reinheit ihrer Linien. Sie liegt im Südosten der ganzen Klosteranlage, nördlich stößt an sie das eigentliche Kloster und westlich reihen sich im weiten Hof umher die verschiedenen Nützlichkeitsbauten, und Alles dieß wird umschlossen von hoher mit Thürmen besetzter Mauer und einem tiefen, jetzt zu Gärten benützten Graben. Die ganze Anlage tritt also noch heute als ein fest abgeschlossener Bezirk dem Wanderer entgegen.

Der vom Bahnhof Maulbronn her das Salzachthal heraufkommende

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)