Seite:OAMaulbronn0140.jpg

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Vor seiner größeren mittleren Bildnische steht jetzt der dreitheilige, stark zertrümmerte Levitenstuhl, einst für den celebrirenden Priester und seine Leviten (diaconi ministri) bestimmt, und früher beim Hochaltar im Chore stehend. Er ist von Eichenholz und von noch reicherer Arbeit als das Gestühl im Chore und endigte in drei hohe, jetzt stark zerstörte Baldachine. Besonders prächtig und ganz erhalten sind seine Lehnen und Brüstungen. An den hohen Seitenlehnen des Stuhlschrankes steigt üppig rankendes Rebenlaub mit Trauben, von Thierchen und von kleinen Weingärtnern bevölkert, empor, an der andern Seite großartiges langblättriges Distelgewächse; oben sind die Wappen der beiden Gründer des Klosters (Leiningen und Lomersheim) groß angebracht. An der vordern Brüstung sieht man reiches, gleichsam wie flammendes Blattgewirre, in das Löwen, Drachen, Hirsche, Vögel, Armbrustschützen u. s. w. und ein großes Spruchband hineingeschlungen sind, auf diesem steht: Vinea Domini Sabaoth. Flores virtutum carpite o sacra concio! An den Seitenbrüstungen wächst wieder herrliches Weingewinde und anderes Laubwerk, unten kniet je ein schöner Engel mit dem Wappen von Maulbronn und dem von Cisterz, und oben an der südlichen Seitenbrüstung kniet vorne ein Männlein, der Stifter, vor sich seinen leider unkenntlich gewordenen Wappenschild. Auch die dreigetheilte Rücklehne wird von Maßwerk und weiter oben von schönem Laubwerk verziert, in welchem auf drei Bändern steht: Quis iste est rex glorie? Ego sum qui sum. Vere Deus absconditus.

(S. auch die treffliche Aufnahme und Ergänzung von C. Beisbarth im VIII. Jahreshefte des Württemb. Alterthumsvereins).

Vor dem Levitenstuhle steht der Laienaltar und an diesem erhebt sich das 12′ hohe, aus Einem Keuperwerksteinblock gearbeitete Krucifix; der Kreuzesstamm ist holzartig behandelt und trägt an der Rückseite C. V. S. 1473. Christus erscheint von schöner, etwas voller naturwahrer Körperbildung; sein Haupt ist fast zu groß, etwas ältlich, mit gedämpftem Wehausdruck und ausgezeichnet durch seine herrlichen Locken. Das Schamtuch flattert in prächtigem Fluge weit hinaus. Vor dem Laienaltare liegt der mit Kreuz und Wappen geschmückte Gedenkstein des ersten Stifters und darauf steht in tiefgeschaffter großer gothischer Minuskelschrift: Hie lit bruder walther ein fryr von lamersheim. der erste anfahn und stifter diser geistlichen sammenunge. des seele ru im friden.

Noch sind zu erwähnen die beiden spätgothischen steinernen Altarbaldachine, die je vor dem dritten Arkadenpfeiler stehen, von hübschen gewundenen Säulen getragen und von einem schönen noch ganz bemalten Sterngewölb überspannt werden; der nördliche, dessen Altar der heil. Anna geweiht ist, hat den Kremper’schen und Gaisberg’schen Wappenschild und die Inschrift: Conradus Gremper Civis de Vaihingen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)