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Suspice Guntheri Virgo cum Prole Maria,
Nec non Waltheri, sic duo vota, pia.

Unter dem Gemälde steht eine lange Inschrift in lateinischen Distichen, die von der Gründung und dem Weiterbau des Klosters spricht, und als Baumeister im Jahre 1424 an der Kirche thätig den Berchtold, als Maler daselbst den Meister Ulrich bezeichnet. Unter den Stiftern sind ihre Wappen. Das Günthers führt einen mit Silber durchkreuzten Schild, welcher im ersten und vierten Viertel ein silbernes Kreuz in blauem Feld, im zweiten und dritten Viertel einen goldenen Doppeladler, gleichfalls in blauem Feld, enthält. Das Wappen Walthers ist gespalten und hat in der Oberstelle drei rothe Pfähle in goldenem Feld und in der Unterstelle ein blaues Feld.

Außer diesen Fresken des Meister Ulrich findet sich noch eine, auch stark beschädigte, vielleicht von derselben Hand, an der Ostwand der ersten jener zehn südlich angebauten Kapellen. Es ist Christus am Kreuz (mit ungekreuzten Beinen), daneben Maria und Johannes und je ein Bischof; drei kelchhaltende Engel umschweben den Heiland. Die Gestalten sind schlank, lebhaft und edel gehalten, Johannes noch mit der alten Geberde des Schmerzes, die Hand an die Wange legend.

In der neunten Kapelle, die von einem Netzgewölbe mit vier schönen Schlußsteinen bedeckt wird, stehen verstümmelte Holzbilder aus dem 15. Jahrhundert, sie befanden sich einst auf dem Hochaltar und geben Scenen aus der Leidensgeschichte in halblebensgroßem Maßstabe, ferner eine Madonna mit dem halbbekleideten Kinde, lebensgroß und ausgezeichnet durch ihren hohen Stil.

Die zehnte Kapelle war auch ganz mit Fresken erfüllt, wovon sich leider nur die in den Rippenkreuzgewölbefeldern erhielten, und schwache Spuren an der Westwand, hier die Vorgänge in Gethsemane darstellend. Die vier Felder des Gewölbes aber zeigen in ganz trefflicher Zeichnung acht musicirende langgeflügelte Engel.

Das sehr schlanke und zierliche über der Vierung sich erhebende Dachreiter hat die Spitze seines mit Lilien besetzten schmiedeisernen Kreuzes beinahe 200′ über dem Boden, wurde in gothischer Zeit errichtet und enthält drei Glocken, wovon die beiden größeren umgegossen sind. Die größte trug die Inschrift:

Convocat hoc signum fratres, turbatque malignum,
Ut psallant digne flagrantes pneumatis igne.
Ave Maria gracia plena.
Annis millenis quadragenis
In Nurnberg fusum, Mulebrun sibi vindicat usum.
Magister Conradus Gnockhammer me fudit.
Abbas Johannes de Wormacia.
J. N. R. J. Sanctus Stephanus. Sanctus Nicolaus. Sanctus Lorencius. Sanctus Bernhardus.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0144.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)