Seite:OAMaulbronn0147.jpg

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Blätter und Knospen und diese selbst wieder gehaltene wenn auch reich abwechselnde Formen, so sind hier um die glockenförmigen Kapitelle ganz aus der Natur genommene Blätter, Blumen, Früchte, Vögel u. s. w. nur lose hingeklebt, so daß die Kernform des Kapitells hindurchscheint. Man sieht Röschen, Eichenlaub, Buchenlaub, Disteln, Kleeblätter, Rebenlaub, Immergrünblüthe, Sumpfpflanzen u. s. w., auch Ergötzliches, z. B. ein nacktes Mönchlein, Trauben essend und auf einer Traube reitend. Über dem Kapitell des dritten dieser Fenster steht außen an der Umrahmung eingehauen GOTSCHLAG, daneben ein jetzt abgeschlagenes Männlein. Von großer Zierlichkeit sind auch die großen Konsolen; die erste, (von Süden gerechnet), zeigt ein herrliches Netz von Weinreben, an deren Trauben viele Vögel picken; an der nächsten hebt sich aus schönem Wasserlaub das ausdrucksvolle Brustbild eines Priors und um ihre Krönung steht in gothischen Majuskeln:

Hie sol mit rehter andaht
Des Prioles Walther werden gedaht
Wan er hat disen bu vollebraht.
      Valete in domino.

Ein Prior Walther kommt 1303 urkundlich vor.

Die dritte Konsole stellt einen Löwen mit einem Ungethüm im Kampfe dar, die vierte das auch aus Wasserlaub sich hebende Brustbild eines Laien, über ihm sind drei Rosen ausgemeißelt und man liest: ROSEN SCHÖPHELIN. Also Prior Walther baute mit Hilfe der Laienbrüder Gotschlag und Rosenschöphelin den westlichen Theil des Kreuzganges, und zwar an der Stelle der ältesten Kreuzgangshalle, wie die Spuren an der Rückwand beweisen.

Der nördliche Flügel, an dem die schöne neunseitige Brunnenkapelle heraustritt, hat ganz dieselbe Eintheilung wie der südliche und der westliche, nämlich acht fast quadratische Gewölbefelder, freilich mit vier, nicht mit sechs Kappen, und er muß fast gleichzeitig mit dem südlichen begonnen worden sein, denn an seiner innern Wand, welche zum Theil die Umfassungsmauer des Sommerrefektoriums ist, läuft eine spätromanische Pfeilerreihe hin. Es sind viereckige Pfeiler mit eigenthümlichen spätromanischen Blätterkapitellen, die Blätter von jenem etwas maurischen Schnitte; neben in den Winkeln der Pfeiler stehen Rundsäulchen mit dem gepreßten attischen Fuß und ähnlichem, einen Würfel tragenden Kapitell. Die Fensterwand stammt aus späterer Zeit, meist einfach kapitellirte Rundsäulen tragen an ihr die Birnstabrippen der Kreuzgewölbe, deren Schlußsteine aus Blätterkränzen ragende Masken zeigen. Ohne Zweifel aber deutet die dem Eingang ins Refektorium genau gegenüberliegende Brunnenkapelle bis zur Fensterhöhe auch auf spätromanische Zeit, was ihre runde Form und selbst ihre Dimensionen (s. u.) beweisen, und eben so alt ist die

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0147.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)