Seite:OAMaulbronn0251.jpg

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nicht verläugnen können. Die anfänglich ganz kleine Gemeinde hat sich allmählich ausgedehnt und Güter auf der Knittlinger und Derdinger Markung angekauft; die natürlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse sind daher die gleichen wie auf den genannten Markungen. Die Vermögensverhältnisse gehören zu den ziemlich guten; der vermöglichste Bürger besitzt 40 Morgen, der sog. Mittelmann 5–10 Morgen und die unbemittelte Klasse 1/2 Morgen oder gar kein Grundeigenthum. 1

Groß-Villars ist eine der waldensischen Kolonien, welche Württemberg am Ende des siebzehnten und Anfang des achtzehnten Jahrhunderts besonders in das durch Krieg vielfach verödete Amt Maulbronn aufnahm, das zudem wegen der Nähe der reformirten Pfalz zu einer stillen Religionsübung der Flüchtlinge gute Gelegenheit zu bieten schien. Schon 6. Mai 1687 wurden die Beamten dieses und anderer Grenzämter erstmals in Stuttgart zu Protokoll vernommen und sodann zu einem schriftlichen Bericht aufgefordert, der von ihnen ausführlich und im ganzen günstig erstattet wurde. Anfangs Juli 1687 kamen aus der Schweiz die ersten 50 Exulanten ins Land, von denen aber nicht bekannt ist, wo sie untergebracht wurden. Anfangs August trafen weitere 200 Waldenser ein, wovon 78 durch den Vogt Hauff in vier Maulbronner Amtsflecken vertheilt wurden, sich fleißig und bescheiden aufführten und mühsam mit Hilfe holländischer Unterstützung nährten. Eine umfassendere Niederlassung verzögerte sich aber, theils durch die wiederholten Versuche der Waldenser, in ihre Heimath zurückzukehren, theils durch die intoleranten Bedenklichkeiten von württembergischer Seite. Erst 1698, als aufs neue 3000 Waldenser unter Führung des Heinrich Arnaud aus Piemont flohen, kam die Sache wieder in Gang. Arnaud unterhandelte im Oktober in Stuttgart, worauf am 31. der Vogt Greber in Maulbronn den Befehl zur neuen Untersuchung der Ämter Maulbronn, Derdingen, Neuenbürg, Güglingen, Brackenheim, Möckmühl, Weinsberg, Neustadt erhielt, welche wieder günstig ausfiel. Die Waldenser stimmten aber nicht zu, weil sie sich nicht so weit zerstreuen lassen wollten. Arnaud ging inzwischen nach Holland und England, um die Fürsprache bei Württemberg sowie die Kollekten zu betreiben. Endlich im Frühjahr 1699, als die Waldenser aus der Schweiz die Gränzen Württembergs erreicht hatten, geschah die wirkliche Niederlassung. Im April kamen ihrer etwa 1800 im Oberamt Maulbronn an, die in den daselbst von den französischen Kriegen her vorhandenen Redouten und Blockhäusern eng und beschwerlich untergebracht wurden. Der Vogt Greber wies an mehreren Orten des Bezirks die zur Gründung von Kolonien tauglichen Plätze nach. – 24. Mai gieng durch ihn und eine fürstliche Kommission in Anwesenheit des holländischen Gesandten Valkenier die Austheilung

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0251.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)