Seite:OANeckarsulm0052.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hochebene mit ihren fruchtbaren Ackerfeldern, dort bilden riesige Pappeln die Grenzmarken des Lautenbacher Herrschaftsguts, und südlich ist die Hochebene schön umrahmt durch die waldigen Vorposten der Löwensteiner Berge, an deren Fuß Dahenfeld weit drüben im Süden im Thal des Dahbachs herüberwinkt. Rasch gelangen wir von da in westlicher Richtung zum schlösserreichen Kochendorf und wieder zum Neckar und wollen nun noch zum guten Ende hinüber nach der auf dem jenseitigen Ufer hochansteigenden ehemaligen Reichsstadt, jetzt hessischen Stadt Wimpfen.

Schon bei der Eisenbahnbrücke, die mit einem Steg für Fußgänger von Jagstfeld nach Wimpfen fuhrt, haben wir auf- und abwärts Ausblicke von ganz eigener Schönheit: aufwärts über dem Spiegel des Neckars, worauf buntbewimpelte Schiffe gleiten, im Mittelgrunde Heilbronn mit seinen Thürmen und Kuppeln, dahinter die Waldgebirge Schwabens mit ihren langen sich verschränkenden Linien. Links, näher bei Neckarsulm, die stolz isolirte Gestalt des Scheuerbergs. Eine schwärmerische, fast schwermüthige Stimmung gibt uns dieses Bild, besonders am Abend, wenn über den Waldgebirgen goldene Wolkenstreifen schweben und widerscheinen im ruhigen Fluß, während seine Ufergebüsche und -Bäume schon in finstere Gräue versenkt sind. – Der andere Blick, thalabwärts, gibt das vielgethürmte, hoch auf den Berggrat gestellte Wimpfen und es erscheinen, bei dieser Lage der mäßig großen, aber lang hingestreckten Stadt, scharf umrissen und ganz deutlich die einzelnen Gebäude, Dächer, Giebel, Kirchen und mächtigen Bergfriede, von denen je einer vorn und inmitten aufragt in dräuender Masse, – und unten vor der Stadt steigt aus Baumwipfeln das große und herrliche Werk der Stiftskirche zu Wimpfen im Thal. Überall innigste Verbindung landschaftlicher Reize mit edlen Werken der Baukunst. Sei es, daß der Wanderer aus den Linden der Neckarebene die flüssigen Formen eben dieser Stiftskirche, die ein aus Paris gekommener Baumeister als die erste gothische Kirche in der Gegend erbaute, aufstreben sieht und noch heute durchzuckt wird vom frischen, fremden und hochgenialen Geist dieses Bauwerks, daneben im verlassenen Kreuzgang, über verwischte Grabplatten schreitend, die wundervolle Schönheit der Maßwerksfenster und ihrer Blätterkapitäle bestaunt, oder daß ihm beim Aufstieg zur Bergstadt riesenhafte Buckelquaderthürme entgegenstarren, uralte Thore und malerische Holzhäuser, daß er zwischen ernsten

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 052. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0052.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)