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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen

setzten, ihr Begräbniß in dem Kreuzgange fanden. In dem unteren Kreuzgang ist ein 14′ hoher und 12′ breiter, ausgezeichnet schön aus Holz gearbeiteter Altarschrein, ein vortreffliches Werk der Nürnberger Schule aufgestellt; er enthält in Lebensgröße die 4 Kirchenväter und in der Mitte die Himmelskönigin, mit dem Jesuskinde (nach Andern Maria, der h. Petrus, der h. Paulus, der h. Hieronymus[b 1] und eine fünfte bis jetzt nicht enträthselte Figur), über ihnen reiche gothische Baldachine mit ausgezeichnet kunstreich geschnittenen, hinter einander liegenden Laubgewinden. Das Ganze ist unbemalt, mit Ausnahme der Augen und einigen wenigen Verzierungen an den Baldachinen, so daß man vermuthen darf, der Altarschrein sei nur als Schnitzwerk, nicht aber in der Bemalung vollendet. Das hohenlohische und das württembergische Wappen an den Seiten des Altars weist auf Kraft von Hohenlohe († 1503) und seine Gemalin, Helene, Tochter Graf Ulrichs des Vielgeliebten von Württemberg, als Stifter hin.

Die Kirche selbst war von dem Kirchhof, dem Begräbnißplatz, umgeben, der aber, da er sehr groß war und einen bedeutenden Theil der Stadt ausmachte, auch als Marktplatz benützt wurde und noch heute benützt wird. Damit die Ruhe der Todten nicht gestört werde, ließen Dekan und Kapitel einen Theil desselben als Gottesacker durch eine Mauer abschließen, waren aber doch besorgt, der abgeschlossene Raum könne durch das profane Treiben entweiht werden, weßwegen sie sich an Kardinal Julian wandten, welcher sofort durch Urkunden vom 10. Nov. 1437 die Entscheidung gab: daß der eingeschlossene Begräbnißplatz durch die außer der Mauer vorgehende Verunreinigung nicht entweiht worden sei, noch künftig entweiht werden könne. Gegen das Jahr 1520 aber wurde der Begräbnißplatz außerhalb (südlich) der Stadt verlegt und daselbst die St. Anna oder Gottesackerkirche erbaut, in welcher die Leichenreden bei ungünstiger Witterung abgehalten werden. Die Kirche ist 85′ lang, 34′ breit und 22′ hoch; das Langhaus wurde stilwidrig verändert, während der mit einem halben Achteck schließende, mit Streben versehene Chor mit seinen spitzbogigen, ornamentirten Fenstern sich in seiner ursprünglichen spätgothischen Bauweise noch erhalten hat. Auf dem westlichen Giebel sitzt ein kleines Thürmchen (Dachreuter). Die Baulast steht zu 2/3 der Stadt, zu 1/3 dem inkamerirten Stift zu.

2) Die Spitalkirche, am südlichen Ende der Altstadt gelegen, 74′ lang, 30′ breit und 17′ hoch, ist zunächst für die


Berichtigungen

  1. Korrektur in Beschreibung des Oberamts Oehringen S. 371: Seite 113. statt h. Stephanus, lies h. Hieronymus.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen. H. Lindemann, Stuttgart 1865, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAOehringen0113.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)