Seite:OARottweil0195.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Spätrenaissance gehalten, ebenso die Kanzel. Von besonderer Schönheit sind die Balustrade vor dem Hochaltar und namentlich die beiden Chorstühle, an deren hohen Seitenlehnen prächtige Rebengewinde ausgeschnitzt sind. Das Kirchlein wurde erbaut im Jahre 1715 von Joseph Feuerstein von Rottweil, demselben, der auch der Baumeister des Klosters Bernstein im Jahre 1732, des Frauenklosters Kirchberg und in Rottweil selbst des nachmals von Göbel’schen Hauses, früher dem Kloster Rottenmünster gehörig, gewesen war. (v. Langen, Geschichte der Stadt Rottweil S. 415.) An die Kirche angebaut ist das Meßnerhaus mit spitzbogigem Eingang und der Jahreszahl 1717 darüber. Ganz in der Nähe des Kirchleins, steht unter zwei schattigen Linden ein laufender Brunnen, ein traulicher Rastort.

Östlich von der Ruhe-Christi-Kirche liegt sodann der große, von einem dichten Tannenhag umgebene wohlgepflegte Friedhof, ausgezeichnet durch seine schöne Lage mit herrlicher Aussicht, wie durch die Schönheit und den Reichthum seiner Grabdenkmäler. In seiner Mitte erhebt sich ein großes und großartig behandeltes hölzernes Krucifix. Außer den Steindenkmälern, von denen viele durch ihre treffliche Arbeit und durch gelungene Statuen (Madonnen) die Blicke auf sich ziehen, heben sich als ein ganz besonderer höchst merkwürdiger Schmuck hervor die noch sehr zahlreichen schmiedeisernen Todtenkreuze, von denen die meisten aus dem vorigen Jahrhundert und dem Anfang dieses, manche auch noch aus dem 17. Jahrhundert stammen, und die uns alle ein ruhmvolles Zeugniß von der kernigen Tüchtigkeit der alten reichsstädtischen Schmiedemeister geben. Die alterthümlichsten dieser oft bis zu 2 Meter und darüber hohen Kreuze halten noch den gothischen Stil fest, der sich ja im Schmiedehandwerk unter kaum merklichen Veränderungen bis zum Ende der Renaissance fortpflanzte, – andere zeigen den Rococostil in seinen verschiedenen Auswüchsen, während die jüngsten von ihnen eine mehr antikisirende Richtung bekunden. Viele haben noch jene großen prächtigen, sich gegen den Beschauer kühn herausneigenden gothischen Lilien, andere reichstes, im Zopfstil gehaltenes unruhiges Laubwerk; es findet sich bei wenigen einfachen Grundformen eine fast unerschöpfliche Abwechslung in den einzelnen Motiven, und jedes, auch das ganz schlicht gehaltene, wirkt sinnig und schön; und wer vermöchte die mit verwelkten Kränzen behangenen ohne innere Bewegung anzuschauen? – In der Mitte tragen die Kreuze oft ein kleines eisernes Kästchen, worin Christus am Kreuze mit Maria und Johannes gemalt, oder auch Sprüche und die Namen der Verstorbenen eingeschrieben sind.

Da die fromme Sitte besteht, die alten Kreuze immer wieder neu vergoldet und bemalt auf die Gräber zu setzen, so haben sich

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)