Seite:OARottweil0392.jpg

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eingefurchte Eschach-Thal und in ein trockenes Seitenthälchen desselben, theils auf dem zwischen beiden Thälern flach auslaufenden Hügelrücken ziemlich regelmäßig hingebaut. Durch den Ort führt die Rottweil–Schramberger Landstraße, an ihr und an den übrigen gut unterhaltenen breiten Ortsstraßen lagern sich ziemlich gedrängt neben einzelnen im städtischen Stil gehaltenen Gebäuden die meist ansehnlichen, stattlichen Bauernwohnungen, von denen mehrere noch mit Stroh oder Schindeln gedeckt, theilweise auch an den Wänden verschindelt oder verlattet sind und schon den Charakter der Schwarzwaldhäuser an sich tragen. Mit Ausnahme von 25 älteren Häusern stammen sämtliche Gebäude theils aus neuerer Zeit, theils aus dem vorigen Jahrhundert, indem im Jahre 1736 der obere halbe Ort bis auf 8 Häuser und im Jahr 1786 den 10. August auch der untere Ort bis auf 18 Gebäude abbrannte. Der letzte Brand entstand durch Kinder, welche, während die meisten Einwohner mit der Ernte auf dem Felde beschäftigt waren, ein Feuer in einem Schopf machten, wodurch nicht allein die Hälfte des Dorfs, sondern auch noch der reife Dinkel auf mehreren an den Ort stoßenden Morgen ein Raub der Flammen wurden. Außer der durch den Ort führenden Landstraße sind noch Vicinalstraßen nach Seedorf, Locherhof und Lackendorf angelegt, so daß dem Orte der Verkehr nach allen Richtungen gesichert ist. Auch besteht im Orte eine Postexpedition. 1

Die im nördlichen Theil des Orts stehende, in den Jahren 1830–32 erbaute große Kirche ist in wenig ansprechendem modernem Rundbogenstil gehalten, dagegen zeichnet sich der im Jahre 1860 mit Beibehaltung seiner unteren Geschosse neuerrichtete, an der Südseite der Kirche stehende Thurm durch seine schöne Form aus, und bildet eine Zierde des Orts und der Umgegend; er wird oben achteckig mit rundbogigen Schallfenstern und mit acht Giebeln, die ein schlankes achtseitiges Zeltdach tragen. Innen in dem mit sehr starken Mauern aufgeführten Thurme steht die Jahreszahl 1480. An der Westseite des breiten Kirchenschiffes ist ein uraltes räthselhaftes Bildwerk eingemauert, ein großer giebelförmiger Stein, wahrscheinlich der Deckstein einer Pforte, mit folgender Darstellung: auf einem Thronsessel sitzt eine weibliche Figur, zu der zwei Windhunde hinaufspringen. Über dem Bildwerk, das für eine Diana gilt, aber eher romanisch als römisch ist, sitzt ein Stein mit der (späteren) Jahreszahl 1494, und einem Steinmetzzeichen. Das helle geräumige mit hübschen modernen Stationsbildern geschmückte Innere der Kirche enthält zwei Beichtstühle im ausschweifendsten Rococo, erinnernd an die in der Dominikanerkirche zu Rottweil, ferner mit vergoldeten Reliefs geschmückte Chorstühle, die mehr im klassischen Zopfstil gehalten sind.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0392.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)