Seite:OAStuttgartAmt 235.png

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Rohr,
Gemeinde III. Kl. mit 552 Einw., wor. 3 Kath. – Ev. Pfarrverweserei. Die Kath. sind nach Stuttgart eingepfarrt.

Das freundliche, ländlich stille Dorf liegt zwei Stunden südwestlich von Stuttgart am nordöstlichen Abhange des Schönbuchs und wird durch ein hier beginnendes Thälchen gleichsam in zwei Partien abgetheilt, von welchen die eine, nördlich des Thälchens liegende, sich von der Ebene bis in die Mitte des ziemlich steilen Abhangs hinzieht, während die südliche eine Häusergruppe in der Nähe der auf einem Bergvorsprung stehenden Kirche bildet. Beide Theile sind durch eine Häuserreihe, die sich am Fuß des Abhangs hinzieht, verbunden, weshalb Herzog Karl das Dorf Rohr seinen Zwerchsack zu nennen pflegte. Der mit guten, reinlichen Straßen versehene Ort hat Überfluß an gesundem Trinkwasser und auf den Fall der Feuersgefahr zwei künstlich angelegte Weiher. Einer von diesen, der einen breiten Wassergraben um eine ovale Insel bildet, liegt in einer Thalbucht nordwestlich der Kirche. Er nährte bis vor einigen Jahren gute Karpfen, jetzt wächst darin nur noch hohes Schilfrohr. Überhaupt ist der in der ganzen Einteichung sumpfige Grund zum Rohrwuchs sehr geneigt, was Anlaß zur Benennung des Orts gegeben haben mag. Durch gut angelegte Vicinalstraßen ist Rohr einerseits mit Vaihingen, anderseits mit Musberg in Verbindung gesetzt. Unchaussirte Straßen führen nach Möhringen und in westlicher Richtung auf die alte und neue Stuttgart-Böblinger Staatsstraße. Die kleine Kirche mit ihrem ummauerten Kirchhof liegt, wie schon bemerkt wurde, erhaben auf einem Bergvorsprung im südlichen Theile des Orts. Ursprünglich scheint sie nur eine Kapelle gewesen zu seyn, welche zu der ehemaligen Burg (s. u.) gehörte. Sie wurde nach der Jahrszahl über dem breit geöffneten, rundbogigen Eingang, der durch die Kirchhofmauer führt, 1588 erweitert. Das Chor, wenn es so genannt werden darf, ist bedeutend niederer als das veränderte Schiff, dessen Baustyl mit dem untern Theil des viereckigen, massiven, mit spitzbogigen Fenstern versehenen Thurms nicht übereinstimmt. An der südwestlichen Seite des Thurms befindet sich eine metallene Denktafel, auf den Tod eines Martin Sandberger, Bürger und Handelsmann zu Stuttgart, der im Jahr 1594 hier starb. Von den zwei Glocken trägt eine die Umschrift: Ave Maria gratia plena dominus tecum benedicta die andere ist von Pantlion Sidler zu Eßlingen im Jahr 1503 gegossen. Die Baulast der Kirche liegt der Stiftungspflege ob, welche übrigens wegen Mittellosigkeit von der Gemeinde unterstützt werden muß. Das zweckmäßig und schön eingerichtete Rathhaus mit Wasch- und Backhaus

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. J. B. Müller's Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1851, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartAmt_235.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)