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Verfolgung des frommen Johannes Arnd den Anstoß gab; ferner Theodor Thummius, der, ein Virtuos im Disputiren und Verketzern, der Vorkämpfer der Tübinger Fakultät in dem Streit mit der Gießener Universität über die Kenosis und Krypsis war, aber schließlich wegen des Vorwurfs gegen das Haus Habsburg, daß mehrere Mitglieder desselben, welche Verwandte geheirathet hatten, in blutschänderischer Ehe lebten, seine Verketzerungssucht mit Gefangenschaft büßen mußte, die ihm nach zwei Jahren den Tod brachte. Nach dem westphälischen Frieden wurde nun die theologische Fakultät ergänzt und hatte in dem Kanzler Tob. Wagner 1653–1680 und in Joh. Adam Osiander 1660–1697 zwei namhafte Theologen. Beide waren, wie es die Zeitrichtung mit sich brachte, eifrige Polemiker, der Erstere kämpfte gegen Campanella und Vanini, gegen Balth. Beckers Kritik des Gespensterglaubens, gegen die Einigungsversuche zwischen Reformirten und Lutheranern, ja er dehnte seine Polemik sogar auf den Islam aus. Osiander zog durch seine Lehrgabe und Disputirkunst viele Ausländer an und bekämpfte den Bischof Spinola, der seine Agitation für eine Vereinigung der lutheririschen und reformirten Lehren auch in Tübingen versuchte, vom Standpunkt des orthodoxen Lutherthums aus. Gleichzeitig mit Wagner und Osiander lehrte der durch Myler berufene Jurist Wolfgang Adam Lauterbach, 1648 bis 1678, der, obgleich ein Ausländer, aus Schleitz gebürtig, doch bald den praktischen Juristen Württembergs als Hauptautorität galt, und durch die vielen Consilien, die er verfaßte, einen bedeutenden Einfluß auf die württembergische Rechtspflege übte.

Die philosophischen und philologischen Fächer weisen in jener Zeit keinen wissenschaftlich ausgezeichneten Namen auf, sie waren häufig durch Männer vertreten, welche die Probejahre der akademischen Laufbahn leisteten und je nach Erfolg später zu theologischen Würden aufstiegen. Als Professor des Griechischen finden wir gegen Ende des 17. Jahrhunderts jenen Johannes Osiander, der sich als muthiger militärischer und diplomatischer Vertheidiger Tübingens gegen die Franzosen einen Namen machte. Kehren wir zu den Theologen zurück, so finden wir bei denselben eine verknöcherte Orthodoxie, die zwar eine große formale Virtuosität in der Polemik, aber wenig produktive Wissenschaftlichkeit und wenig religiöses Leben zeigte, und die neue lebenskräftige Elemente mit Ängstlichkeit ferne hielt. Charakteristisch in dieser Beziehung ist, daß der berühmte Ausleger der Offenbarung Johannis, Joh. Albr. Bengel, nicht einmal als Professor

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_286.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)