Seite:OATuebingen 327.png

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hin, lag; das untere, das Lustnauer Thor ward samt der angrenzenden Mauer abgerissen. Dieses Thor hieß der Kohlthurm, weil darin der Kohlenvorrath aufbewahrt wurde; außerhalb demselben lag die Haila-Kapelle. 1305–1320 als Andachtsort für Frauen erbaut von Haila, einer frommen Frau in Reutlingen, nach Gabelkhover gestorben unter Abt Ulrich v. Eßlingen. Thurm und Kapelle wurden 1823 abgetragen. In der Nähe soll auch nach Zeller (Merkwürdigkeiten der Universität Tübingen 1743) die uralte Bebo-Kapelle gestanden sein, welche der Sage nach die Herren von Lustnau dem frommen Bebo, der hier im Walde als Einsiedler gelebt, erbaut haben sollen. Die innere noch fast ganz erhaltene Ringmauer ist gegen 6′ dick, über 30′ hoch, noch theilweise mit hölzernem Laufgang versehen und umschließt in unregelmäßigem Viereck die Abtei selbst; einige der Klostergebäude wachsen aus ihr hervor. An ihrer Südostecke steht ein halb abgebrochener runder Thurm, der sogenannte grüne Thurm, weiterhin an der Ostseite, der andern Ecke zu, ein halbrunder, und an ihrer Westseite der große viereckige Thorthurm, der nach einer Abbildung von 1744 (bei Höslin) noch um ein hölzernes Stockwerk höher war, der sog. Schreibthurm; von einer noch in diesem Jahrhundert hier befindlichen Kanzlei so genannt. Derselbe hat einen weiten, tonnengewölbten Durchgang, den Haupteingang in das Kloster, und zeigt deutlich, daß er mehreremal verändert wurde. Den Steinmetzzeichen seines ersten Geschosses zu Folge stammt er aus der Zeit der ersten Anlage; an seiner Außenseite tieft sich in der Höhe eine große Flachnische ein, die in geschweiften blumengeschmückten Spitzbogen ausgeht, von zwei hohen Spitzsäulen flankirt wird und worin mehr als lebensgroß ein Relief steht, darstellend Christus am Kreuz von harter Körperbildung, daneben knieend und wehklagend Johannes, Maria und zwei Geistliche; das ganze Werk war bemalt. Die bemalten Wappenschilder über und unter dem Relief enthalten, von links nach rechts, folgende Wappen, oben die Fische, die Hirschhörner, das Pfälzerwappen (Ulrichs Gemahlin Sabina); unten Reichsadler (verwischt Bebenhausen, Fridingen), Tübingen. Zwei herrliche Lindenbäume umrahmen mit ihren hohen Wipfeln den reichbelebten Thurm. Die innere Ringmauer soll 1270 begonnen worden sein (Annal. Bebenh. im Württ. Jahrb. 1855b, 190). Durch den Schreibthurm und durch den weiten Rundbogen, westlich vom grünen Thurme, geht der Eingang in die Abtei. Einige vor der zweiten Mauer stehende Gebäude sind wegen ihres Alters erwähnenswerth: die Klostermühle an der Südostecke, mit alterthümlichen Rund- und Spitzbogenfensterchen,

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_327.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)