Seite:OATuebingen 329.png

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einem spätromanischen mit zwei gewirtelten Säulen geschmückten Portale, in dessen gedrückt spitzbogigem Bogenfelde eine große Lilie zwischen zwei kleineren Blumen ausgemeißelt ist; ein ganz ähnliches Portal, nur rundbogig, geht auf dieser Seite bei der Nordostecke des Kreuzganges in die Kirche; in seinem Bogenfelde sind mit dem Cirkel beschriebene Rosetten eingegraben. Über dem Portal an der Südwestecke ist die Mauer bis zum alten Kranzgesimse, unter dem ein Zahn- und Rundbogenfries hinläuft, erhalten. Man sieht hier noch ein vollständiges schmales Rundbogenfensterchen und östlich davon einen großen Rundbogen, über dem noch Spuren eines flachen Giebels; offenbar ging hier ein Gang vom Kreuzgang auf die alte Westempore der Kirche.

Betrachten wir zuerst die jetzige Kirche von außen, so treten uns trotz aller gothischen Eingriffe die drei kurzen (östlichen) Kreuzarme noch mit dem ganzen Ernst der einfachen, romanischen Anlage entgegen. Die drei Façaden dieser Kreuzarme sind in und unter ihren rechtwinkligen Giebeln mit einem Zahn- und Rundbogenfriese umkränzt; derselbe klare Schmuck zieht sich um die einst fensterlosen, jetzt leider von großen spätgothischen Fenstern durchbrochenen Seitenwände. Ganz erhalten ist allein die nördliche Giebelseite; das eng und sorgsam gefugte reinliche Quaderwerk zeigt hier unter dem Friese zwei schlanke Rundbogenfenster. Lichtöffnungen in Form eines griechischen Kreuzes durchsetzen die Flächen der Giebelfelder, deren Spitzen am Chor durch ein Steinkreuz, an den Querarmen durch kugelförmige Aufsätze gekrönt werden. An die südliche Giebelseite ist das Kloster angebaut, die östliche dagegen wird belebt von einem gewaltig großen Prachtfenster, das die gothische Maßwerksarchitektur in ihrer herrlichsten Entfaltung zeigt, und über der Kreuzung erhebt sich, einem großartigen Kuppelthurm ähnlich, der achteckige, steinerne Dachreiter (Glockenturm), der unter dem Abte Peter von Gomaringen durch den Laienbruder Georg von Salmansweiler 1407–9, als ein Muster von Zierlichkeit und dabei kühner und fester Konstruktion in dem prächtigen, schon etwas manierirten Stile damaliger Zeit erbaut wurde. Die Spitze seiner herrlichen Kreuzblume schwebt 130 Fuß über dem Boden der Kirche. Der Thurm geht von den vier Pfeilern der Kreuzung an mittelst hoher Zwickelgewölbe ins Achteck über; von hier aus erhebt er sich 15′ hoch als steiler achteckiger massiver Pyramidenrumpf, der aus großen übereinander vorkragenden Quadern gebildet ist, und hierauf erst, als auf einem kleineren Achteck, wächst der eigentliche Thurm, ganz durchbrochen als hohes senkrechtes achteckiges Geschoß in die

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_329.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)