Seite:OATuebingen 402.png

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wurde; über seinem Firste sieht man an dem alten Thurm Spuren eines früheren älteren Giebels. Im Innern enthält das Schloß schöne modern eingerichtete Wohnräume, Treppen und Fluren sind mit werthvollen Hirschgeweihen verziert. Der ebengenannte uralte Thurm hat seinen ehemaligen rundbogigen Eingang 15′ über dem Boden und im obersten Stockwerk ein hübsches Gemach mit reicher und schöner Renaissancepforte. Über der Plattform des Thurmes erhebt sich eine neue hölzerne Gallerie; von hier aus genießt man eine liebliche Aussicht das weite fruchtbare Neckarthal hinauf und hinab bis an die ehrwürdigen Städte Rottenburg und Tübingen. Das merkwürdigste aber ist die große Schloßkapelle, von dem rühmlichst bekannten Georg von Ehingen (geb. 1428, gest. 1508) gestiftet; sie stößt an die Nordseite des alten Thurmes als ein hoher rechteckiger, von Strebepfeilern gestützter Bau von zwei Geschossen; unten befindet sich das alte Archiv, oben, wo die Mauern von großen spätgothisch gefüllten Spitzbogenfenstern durchbrochen werden, die eigentliche Kapelle, die von zwei weiten Rippenkreuzgewölben überspannt und an Wänden und Decke mit trefflichen Fresken geschmückt ist. Die Gewölbe sind leider ganz zugetüncht, die Wände nur zum Theil; man erblickt noch große, Spruchbänder haltende Heiligenbrustbilder, und an der südlichen Wand über der Thüre halbüberstrichen ein sehr großes Freskobild: in der Mitte überlebensgroß die Himmelskönigin, welcher Georg und seine Gemahlin als Stiftung das Modell einer Kirche darbringen, hinter ihnen je ein langer Zug von Rittern, Knappen und Damen; zu ihren Füßen stehen Schildchen mit dem Ehingen’schen und anderen Wappen; ohne Zweifel sind hier Kinder und andere Verwandte des Hauses dargestellt. Die große Inschrift unter diesem Freskobilde ist leider durch Tünche unleserlich geworden. Höchst beachtenswerth ist auch der vor der Nordwand am Ende der Kapelle stehende Flügelaltar: in der Mitte steht unter schönem Laubwerk, trefflich in Holz geschnitzt, die Krönung Mariä und oben zwischen schlanken Baldachinen Christus am Kreuz; der rechte Flügel des Altars fehlt, er stellte Johannes d. T. und die h. Margaretha vor, auf dem linken erblickt man den Stifter Georg knieend und in voller Rüstung, ein sehr werthvolles Gemälde auf Goldgrund, leider beschädigt; an der Predella steht der Name des berühmten Meisters: bartolome zeytblom maler zu Ulm. Noch ein anderes gutes und merkwürdiges Tafelbild befindet sich in der Kapelle, darstellend Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, dahinter kniet auf der einen Seite der Stifter Jacob von Ehingen mit seinen drei Söhnen Burckhardt, Jerg, Rudolf und

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_402.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)