Seite:OATuebingen 474.png

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Albkette vom Plettenberg bis zum Hohenstaufen; ein besonders schöner Punkt ist westlich vom Ort am Rande des Waldes. Auf den Fleckenwiesen kommen trichterförmige Einsenkungen, sog. Erdfälle, vor. Der meist gedrängt gebaute Ort ist hinter üppigen Obstbäumen versteckt und seine stattlichen zum Theil im städtischen Stil erbauten Häuser liegen ganz unregelmäßig an den reinlichen, gekandelten, oft engen Straßen.

Die große, der h. Ottilie und der h. Veronika geweihte Kirche steht am östlichen Saume des Dorfes und ist noch von einer Mauer umgeben, an deren nordwestlicher Ecke eine große spätgothische Grabplatte mit unleserlicher Inschrift eingemauert ist; die Platte zeigt einen Geistlichen mit dem Kelch in flacherhabener Arbeit. Im Jahre 1700 wurde der vieleckige Chor der im spätgothischen Stil erbauten Kirche abgebrochen und sie mit rechteckigem Abschlusse verlängert, wobei man die alten Spitzbogenfenster wieder benützte. Alle Fenster der Kirche sind noch jetzt spitzbogig und schön spätgothisch gefüllt, ausgenommen eines an der Südseite, das aus früher gothischer Zeit stammt. Der große Thurm, an den östlich die Kirche angebaut ist, stand, wie man wohl sieht, ehemals frei und ist ein alter Vertheidigungsthurm; seine Mauern sind 8′ dick und ringsum aus mächtigen Buckelsteinen aufgeführt. Das erste Geschoß des Thurmes hat ein flaches Tonnengewölbe, einige kleine, rundbogige, romanische Nischen und ganz schmale, tiefe, spitze Fensterchen; gegen Westen öffnet sich ein spätgothisches Portal mit geschweiftem Spitzbogen, in den das herzoglich württembergische Wappen hineingeschlungen ist, darüber steht 1500. Das zweite Geschoß hat ein hohes Tonnengewölbe und gegen Norden noch den alten frühspitzbogigen Eingang, zu dem man nur mittelst einer Leiter gelangte. Der dritte Stock ist von Holz und trägt ein sehr hohes, achtseitiges, weit überkragendes Zeltdach mit grünglasirten Ziegeln.

Das geräumige Innere hat eine flache Decke und zweistockige Emporen; an der Brüstung der untern sind biblische Geschichten aufgemalt; der Taufstein ist uralt, ein schlichter, runder Steinkessel. Die Orgel befindet sich auf der westlichen Empore, gegen Osten steht ein fast lebensgroßes Krucifix und an der Nordwand ein schön geschnitzter Betstuhl aus spätgothischer Zeit, dessen Rücklehne mit Wappen im Renaissancegeschmack übermalt ist. Von den drei Glocken ist die eine sehr groß, schön verziert und trägt die Jahreszahl 1625, die mittlere hat die hübsche Umschrift: „Aus dem Feuer floß ich nach Walddorf geher ich Gottlieb Jacob Rechlen gos mich in Stuttgardt Anno 1745; die dritte ist Anno 1778 gegossen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_474.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)