Seite:OberamtCalw 228.jpg

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zum Vorschein gekommen. Die aufgefundenen Gebeine wurden sämmtlich in einen Sarg gelegt und in einen an der Stelle des ehemaligen Chors aufgedeckten, ausgemauerten Behälter gestellt, die Öffnung zu dieser Gruft aber mittelst einer Fallthüre verschlossen. An der Südseite der Peterskirche stand das Kloster, von dem sich nur der Kreuzgang, der den Klostergarten umschloß und unter Abt Bernhard † 1482 zu bauen begonnen und durch Abt Blasius † 1503 vollendet wurde, theilweise erhalten hat; er zeigt noch schöne, im germanischen Styl gehaltene Fenster, die jedoch meist sehr gelitten haben und in neuerer Zeit auf Staatskosten im ursprünglichen Styl und in meisterhafter Ausführung theilweise restaurirt wurden. Die übrigen sollen später ebenfalls eine Ausbesserung erhalten. An der östlichen Seite des Kreuzgangs ist die Außenwand desselben theilweise im romanischen Styl gehalten und enthält schöne gekuppelte Rundbogenfenster; dieser Theil scheint sich noch von dem ursprünglichen, zu gleicher Zeit mit der Kirche erbauten Kreuzgange erhalten zu haben. Die 40, gegenwärtig hohlen Fenster des Kreuzgangs waren mit prachtvollen Glasgemälden geziert, welche im Jahr 1491 u. ff. nach den Holzschnitten der Biblia Pauperum (Armenbibel)[1] mit einem Aufwand von mehr als 300 Goldgulden gefertigt waren, aber im Jahr 1692 durch die Franzosen zerstört wurden (Steck a. a. O. S. 293 ff.). Auf dem Kreuzgang waren zur Zeit der evangelischen Klosterschule die Studir- und Schlafzimmer der Studenten mit den langen, zum Ambuliren geeigneten Gängen, Dorment genannt.

Zunächst, östlich, der ehemaligen Peterskirche steht oben an einer Terrasse gegen das Nagoldthal die Kapelle der heil. Jungfrau, seit der Einäscherung des Klosters die einzige Kirche der evangelischen Ortsgemeinde; sie wurde nach einer an der Kirche angebrachten Inschrift im Jahr 1509 erbaut von Abt Johann († 1524, welcher auch allda begraben wurde), und am 21. Juli 1516 eingeweiht.

Die Kirche ist im spätgermanischen Style erbaut, hat spitzbogige, in den Bogentheilen ornamentirte Fenster und Strebepfeiler sowohl an dem Langhaus, als an dem mit einem halben Achteck schließenden Chor, auf dem ein kleines Thürmchen (Dachreiter) sitzt. Das Innere ist modern getüncht und mit einer flachen Holzdecke versehen; ursprünglich hatte die Kirche ein steinernes Gewölbe, dessen Gurten von Consolen ausgingen, welche die Brustbilder der 12 Apostel vorstellen und noch als schöne Überreste des ehemaligen Gewölbes an


  1. Nicht umgekehrt, die Holzschnitte der Biblia Pauperum nach diesen Fenstern. Letzteres war die Ansicht von Lessing, Werke 9, 222–228. Ausg. v. 1855.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_228.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)