Seite:OberamtMergentheim0305.jpg

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in der Morgendämmerung des 22. Juli die schlecht bewachte Stadt zu überrumpeln und den Präsidenten von Kageneck als Geisel nach Schönthal wegzuführen. Der deutsche Orden erhielt eine Kontribution von 120.000 fl. zugeschrieben und in wenigen Stunden waren die Bürgerhäuser rein ausgeplündert. Geld und Geldeswerth, silberne oder sonst irgendwie werthzuschätzende Geräthe, Kleider etc. wurden mit der größten Gewandtheit aufgestöbert und entführt. Ausführliche Verzeichnisse über den in jedem Bürgerhause begangenen Raub liegen noch vor und repräsentiren einen ganz bedeutenden Werth.

Nach wenigen Stunden schon zogen, beladen mit Beute, die schlimmen Gäste wieder ab; die fränkischen Kreistruppen, welche unter General Tucher bei Herbsthausen standen, kamen zu spät.

Die beschämende Überrumpelung der Stadt durch eine schwache Streifpartie, der erlittene große Schaden, die Höhe der zu leistenden Kontribution, mit welcher zugleich der Herr von Kageneck auszulösen war, erregte überall gerechte Erbitterung. Allein erst durch Erlaß vom 20. Oktober 1707 ordnete der Deutschmeister, der damals fern von Mergentheim residirte, eine Untersuchung an. „Wir Franz Ludwig, Administrator des Hochmeisterthums in Preußen, Meister deutschen Ordens in deutschen und welschen Landen etc., verlangen umständlich zu wissen, wer oder welche daran Schuld getragen, daß unlängst in der Nacht unsere Residenzstadt Mergentheim von den Franzosen überfallen wurde etc.“ Demgemäß wurde eingehendes Verhör angestellt mit dem Bürgermeister, Stadtschreiber, Stadtlieutenant, Thorwart und dem Thurmwächter. Letzterer gibt an, um 1/24 Uhr habe er einzelne Reiter der Stadtmauer sich nähern gesehen. Kaum halb bekleidet, habe er rasch seinen Thurm verlassen und an des Bürgermeisters Haus geklopft. Die Magd habe auch gleich zum Fenster herausgesehen und sofort auch der Bürgermeister selbst, dem er seine Kunde vorgebracht. Der Bürgermeister habe erwidert, daß er auf den nächsten Thurm steigen wolle, um zu sehen, was es für Völker seien. Ehe aber dieses Vorhaben auszuführen gewesen, habe man die Franzosen schon in die Judengasse einmarschiren sehen. Ausführlich und so gut es gehen wollte, verantwortet sich Herr von Kageneck selbst, er habe stets Fühlung mit dem General Tucher gehalten und Nachrichten über die feindlichen Korps eingezogen, welche von Mosbach aus Brandbriefe für Nürnberg, Öttingen, Eichstädt und andere Plätze abgefertigt hatten. Ihn und die Behörden treffe keine Schuld, aber die Bürgerwacht habe sich theils vollgetrunken gehabt, theils sei sie davon gelaufen. Vom 5. März 1708 schreibt Franz Ludwig, daß er von fernerer Inquisition absehen wolle; der Stadtlieutenant Johann Georg Boxberger aber, welchen die meiste Schuld treffe, solle abgesetzt und von dannen geschafft werden; der Bürgermeister sei auf 14 Tage ab officio zu suspendiren, der Korporal auf etwa 14 Tage zur Schanzarbeit bei mäßiger Atzung zu condemniren. (Hiernach ist v. Martens Kriegs-Ereign. 614 zu berichtigen.)


Der polnische Erbfolgekrieg 1733 ff. brachte eine neue Erscheinung für unsere Gegend und ganz Süddeutschland: preußische und russische Truppen. Es war ein preußisches

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0305.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)