Seite:OberamtMergentheim0546.jpg

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schroff hinaustretenden Vorsprung und nördlich von da auf einem niedrigern, im Dorf selbst gelegenen Vorsprung erheben sich die noch sehr umfangreichen Gebäulichkeiten des früheren Cisterzienserinnen-Klosters, eine dauerhafte und bedeutende Anlage.

Treten wir zunächst zu der im Süden stehenden Kirche; sie bildete nach dieser Seite ein lateinisches Kreuz, doch ist dieser Querbau, der höchst einfach gestaltet war, im Jahr 1879 abgerissen worden; er war aber ursprünglich und hatte gegen Osten eine schon vor mehreren hundert Jahren (1655) entfernte vieleckige Chornische, von der noch der Ansatz am eigentlichen Chor erhalten ist. Auf der andern Seite fehlt der Querarm, hier baut sich das Klostergebäude an. Außer diesem ist die im Jahr 1232 gegründete Kirche noch vollständig erhalten, ein großes, einst herrliches Gebäude, aus prächtigen Werkstücken aufgeführt im sog. Übergangsstil, und zwar so, daß der romanische Stil hier noch auftritt und weitergeführt ist bis zu ganz ausgesprochenen gothischen Formen. Die Kirche, wie alle Nonnenkirchen zweigeschossig, ist unten drei-, oben einschiffig, die untere ganz gewölbte Kirche hört beim Chore auf, während die obere mit diesem zusammen einen einzigen hohen mächtig ergreifenden, im Langhaus gerad gedeckten, im Chor gewölbten Raum bildet. Dieselbe dient jetzt leider als Scheune, soll aber in nächster Zeit wieder ausgeräumt und hergestellt werden.

Das Äußere im Ganzen schlicht, aber edel, hat eine Doppelreihe von ungefüllten Spitzbogenfenstern, die oberen streng und hoch, die unteren zierlich, tiefeingeschrägt und schmal; sie ziehen sich zu drei an der Westseite hin, über ihnen ein hohes stolzes Spitzbogenfenster, dies der einzige aber wirksame Schmuck der schlanken Giebelseite; der nach fünf Seiten des Zehnecks schließende mit dem Langhaus gleich hohe Chor hat wieder strenge ungefüllte Spitzbogenfenster, keine Strebepfeiler, unter den Dächern zieht sich als hübscher Abschluß um Schiff und Chor ein Schachbrett- und darunter ein Spitzbogenfries; man sieht die Bauart schwanken zwischen dem alten und dem neuen Stil, doch bricht letzterer stets siegreich hindurch. Ganz gothisch ist dann das reich gegliederte schöne Hauptportal an der Südwand des Schiffes.

Das Innere erscheint oben als ein mächtiger, einheitlicher, schlichtschöner und lichter Raum, im Schiffe flachgedeckt, im Chor übersprengt von hohem Steingewölbe. Wandsäulen vom Boden heraufsteigend, oder kürzer und von prächtigen Blätterkonsolen ausgehend, tragen auf ihren großen, herrlich gearbeiteten Blätter-

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 546. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0546.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)