Seite:OberamtMergentheim0668.jpg

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Schluchten, dem Aufenthalt zahlreicher Nachtigallen, die Stelle, wo das Kirchlein steht. Dasselbe muß, als es noch vollkommen erhalten war, der so anmuthigen und friedlichen Landschaft einen ungemeinen Schmuck verliehen haben. Damals erhoben sich noch seine beiden Thürme mit ihren spitzen Dachhelmen, dazwischen die schön vortretende halbrunde Chorabside, an die sich gegen Westen das mit einem Zeltdach bedeckte Achteck anschloß. Jetzt hat nur noch der nördliche Thurm seine drei Stockwerke, wird jedoch von unschönem niedrigem Satteldache bekrönt, und über alles Andere legt sich ein breites, schwer lastendes Giebeldach, das die ursprüngliche feine Durchgliederung der ganzen Baugruppe verhüllt; leicht aber erkennt man diese bei näherer Betrachtung. Die Kirche bildet nämlich die seltene Form eines regelmäßigen Achtecks, von dem sechs Seiten vollkommen ausgeprägt sind, statt der übrigen zwei fügt sich gegen Osten ein quadratischer Chor, der in eine stattliche halbrunde Abside ausgetieft und von zwei Thürmen flankirt wird. An dem (nur noch mit dem ersten Stockwerk erhaltenen) Südthurm baut sich gegen Osten ein zierliches steinernes halbrundes Erkerchörchen hervor, am Nordthurm war ohne Zweifel, wie die zwei Tragsteine beweisen, eine Thüre sammt Austritt. 1

Das Innere der Kirche ist vollständig erhalten, der Achtecksbau, unten umher durch Blendbögen belebt, hat eine flache, in der Mitte auf alter Holzsäule ruhende Balkendecke, der Chor ein kraftvolles Rippenkreuzgewölbe auf Ecksäulen, die Chorabside ein Viertelskugelgewölbe, beide Thürme sind tonnengewölbt und öffnen sich mit Rundbogenthüren gegen den Chor, wie überhaupt alle Wölbungen noch im Rundbogen ausgeführt sind. Die Dimensionen der Kirche sind mäßig, aber wohl abgewogen: die äußere Länge einer Achtecksseite beträgt 14 Fuß, und ebensoviel die äußere Seitenlänge der Thürme, die innere Länge einer Achtecksseite mißt 101/2 Fuß, und ebensoviel die innere Seitenlänge des quadratischen Chors; die größte innere Breite verhält sich zur größten inneren Länge wie 2 : 3. Aber nicht blos die Verhältnisse, auch die Ausführung, die Verzierungen und die Gliederungen sind, bei aller Sparsamkeit, sehr wirksam, zeugen von einer hochentwickelten Kunstübung. Sämmtliche Säulen haben zarte, tief unterhöhlte Füßchen mit Eckblättern und sehr schöne Kapitelle, an denen aus reichen, z. Th. diamantirten Blättergeschlingen Drachen oder Masken hervorschauen. Diamanten reihen sich auch um das über dem weich profilirten

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0668.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)