Seite:OberamtMergentheim0791.jpg

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Die vielen Bildsäulen sind mythologischen und allegorischen Inhalts, flüchtige Arbeiten, hin und wieder nicht ohne Anmut. Am Eingang vom Schloß her über die Brücke sieht man zuerst zwei schöne steinerne Sonnenuhren, dann auf der Balustrade, die den Graben gegen den Garten hin abschließt, stehen abwechselnd mit steinernen mit den Wappen von Hohenlohe und Oettingen geschmückten Vasen zwerghafte Gestalten, humoristisch geberdet; wie versichert wird, Karikaturen aus dem damaligen Hofbeamtenkreis von Weikersheim; ganz ähnliche Bilder sind auf der Brücke im Neuensteiner Schloßgarten. An den vier Ecken des ebenen Gartens erhebt sich je ein höchst wunderliches obeliskenartiges Steinwerk, zwei Figuren pyramidal übereinander gestellt und verschlungen, und steinerne (!) Wasserstrahlen emporspritzend; die untere Figur ein Centaur, mit Pferdsfüßen; das Ganze unschön verworren. – Im Halbrund des Abschlusses oder der Orangerie stehen in Nischen die vier „ersten Monarchen“, Nimrod, Alexander, Augustus, Cyrus, ferner Pallas und Pax, und oben sitzen verschiedene lebhaft bewegte Götterbilder, der Olymp.

Die Architektur dieser aus feinen Werksteinen aufgebauten Orangerie ist rein, klassisch, die Verhältnisse sind weit und edel, schade, daß das Gebäude in Trümmer geht; eine wenigstens theilweise Herstellung der vorderen Seite wäre sehr zu wünschen.

Zwei Vorsprünge, oben mit Kugeln und Obelisken, schließen den Bau zu den Seiten und haben je über ihrem Portal einerseits das Wappen von Hohenlohe, andererseits das von Oettingen; neben diesen Portalen stehen in Nischen Minerva und Diana, Juno und Venus; Pilaster und Säulen sind jonisch, mit hübschen Festons von Schnecke zu Schnecke. Alles war einst bemalt, wovon noch Spuren zu sehen sind. –

Der Innenbau, die eigentliche Orangerie, ist verödet, es stehen nur noch die kahlen vier Wände; Vogelbeerbüsche wachsen aus dem Gesims und überschatten die zerbröckelnden Götterbilder, Theile der Balustrade und einige der schönen Vasen liegen am Boden in Gras und Gestrüppen; ein ergreifendes Bild irdischer Vergänglichkeit, besonders im Herbst, wenn die Nebel durch das Thal herabziehen:

„Vergänglichkeit – die grauen Nebel wallen
Feuchtherbstlich um das rebengrüne Thal,
Ich bin allein im öden Gartensaal,
In seinen längst verlassnen Säulenhallen.“

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0791.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)