Seite:OberamtMergentheim0804.jpg

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Wolfgangs Regierung kam, da er nach dem Tode seiner Brüder Friedrich von Langenburg (1590) und Philipp von Neuenstein (1606) den ganzen Neuensteinischen Landestheil in seiner Person vereinigte, diesem überhaupt zu gut. Wir heben die Einrichtungen, welche die Stadt Weikersheim besonders betreffen, heraus, wobei auch Einiges aus früherer und aus späterer Zeit mit Raum finden mag. 1

Der Rath der Stadt Weikersheim bestand aus 12 Mitgliedern, wurde von der Bürgerschaft gewählt und der Herrschaft zur Bestätigung präsentirt. Nach der Wahl gibt das neugewählte Mitglied dem Kollegium ein Mahl auf dem Rathhaus, wobei der herrschaftliche Beamte demselben einen Kranz von Seide aufsetzt, welchen es jenen ganzen Tag zu tragen hat. Nach der Beeidigung begleiten die Kollegen das neue Mitglied nach dessen Behausung. Der Rath übt Strafgewalt für Felddiebstähle und dergleichen leichtere Vergehen; er wählt sich, früher alljährlich, später auf Lebenslang, seinen Rechner, der die Gemeindesteuern zu erheben hat; 2 Prokuratoren ziehen die Gebühren für den Rath bei Bürgerannahmen und dgl. ein. Ein Mitglied ist Unterkäufer und Wegmeister, ein anderes Almosenpfleger. Ein aus Raths- und Gemeindegliedern gemischtes Kollegium bilden die Siebener, welche über Maß und Gewicht Aufsicht zu führen und die Rechte der Bürgerschaft dem Rath gegenüber zu vertreten hat. Die Bürgerannahme erfolgt seit Aufhebung der Leibeigenschaft gegen eine Gebühr von 4 Gulden; der neue Bürger hat nach Verordnung des Grafen Georg Friedrich von 1626 drei Obstbäume an die ihm angewiesenen Orte zu setzen. Die Erbschaftssteuer beträgt für Auswärtige, welche die Erbschaft wegziehen, 5 Prozent des Betrags. Verkaufen Eltern etwas von ihrem Besitz, so haben die Kinder und Enkel 29 Tag lang das Losungsrecht (Freundschaftslosung). Jeder Weikersheimer Bürger darf seinen selbsterzeugten Wein ausschenken und daneben, besonders an Jahrmarktstagen, ausspeisen. Wohl von Alters her Sitz einer Cent, d. h. eines Kriminalgerichts, wurde Weikersheim 1542 durch eine Ordnung der Grafen v. Hohenlohe als Centgericht für elf Orte bestätigt. War eine Urtheilssitzung nöthig, so wurde der Termin 3 Tage zuvor den Centorten, wie dem Beklagten verkündigt. Bei der Voruntersuchung wendete man unter Umständen die Folter an, doch durfte dies nur in Gegenwart des vom Rath der Stadt mit Stimmenmehrheit gewählten und von der Herrschaft bestätigten Centgrafen als Gerichtsvorstands, des Gerichtsschreibers und zweier Schöffen geschehen. Die unter freiem Himmel vorgenommenen Centgerichtsverhandlungen waren sehr feierlich und förmlich. Der Centgraf erschien zu Pferd, geharnischt mit Pickelhaube, Stiefeln und Sporen. Die Centverwandten erwählten an jedem Ort ihre Schöffen auf Lebenslang und diese waren etwas Ähnliches, wie heutiges Tages unsere Geschworenen. Die ganze Einrichtung war ein Überrest der alten kaiserlichen Grafengerichte und verursachte in späteren Zeiten, nachdem die Gerichtsbarkeit landesherrlich geworden, viele Streitigkeiten. Auch das für die bürgerliche Rechtspflege in dem Gebiet der Neuensteinischen Hauptlinie 1598 ins Leben getretene Hofgericht

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0804.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)