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wie die Weiber zu gehen. Nicht selten wird auch das Haar um lange Nadeln schneckenartig gelegt.

In der Sechta- und Riesgegend trägt der Landmann kurze schwarze Lederhosen, hohe bis über die Kniee reichende gesteppte Stiefel, schwarze lange Röcke mit kurzer Taille von Zwilch oder Barchet, selten von Tuch; Wämser sieht man nicht bei ihnen. Das dunkle Brusttuch ist meist von Manchester und mit silbernen oder zinnernen Rollknöpfen besetzt. Man trägt runde niedere, in einzelnen Orten auch dreieckige Filzhüte. Im Ries lassen die Männer gerne das Sacktuch weit zur Hosentasche heraushängen. Das weibliche Geschlecht trägt sich in der Hauptsache wie auf dem Herdtfeld, dagegen sind bei ihnen im Sommer schwarze gefütterte Strohhüte üblich. In Bopfingen werden zum Staat weiße oder schwarze Florhauben, oben mit einem großen mit Spitzen verzierten Rad getragen. Die Weiber der Wirthe und Müller im Ries haben das Recht, ebenfalls weiße Radhauben zu tragen.

Im allgemeinen ist die Tracht der katholischen Weibspersonen bunter als die der evangelischen.

Die herrschende Mundart ist die harte schwäbische mit leisen Anklängen an die bayerisch-fränkische, namentlich gegen das Ries hin, während auf dem eigentlichen Herdtfeld dieß weniger der Fall ist. Der Rieser hat eine eigenthümliche Beugung der Zeitwörter und Form der Fürwörter; er kennt kein wir, sondern spricht: ahns d. i. uns, kein ihr, sondern nir, z. B. ahns gonnt, nir goht, sie gonnt, d. h, wir gehen, ihr gehet, sie gehen. Sodann dehnt man im Riese viele im Hochdeutschen nichts weniger als gedehnte Worte. Endlich hat der Rieser ganz eigenthümliche Doppellaute, als: ia, äa, oa, ua, oi, öa; diese werden aber nicht als zwei Laute, sondern einsilbig ausgesprochen, z. B. Loach = Loch, droaben = droben. Der Herdtfelder hat die meisten Eigenthümlichkeiten in der Sprache mit dem Rieser gemeinsam, z. B. Tenne = Vorplatz, Zelten = Kuchen, Hausweib = tüchtige Hausfrau, gar feindle (der Rieser spricht feindling) = gar sehr, jo wägerle = o ja, wahrlich, Koorn = Korn, Mitte = Mittwoch, eben nie = hie und da, Ahnherr = Großvater, Ahnfrau = Großmutter, Pfarrhärle = Pfarrer, Jupp = Wamms, Krätzen = Korb, Schaff = Wasserbehälter, Aftermöntig (der Rieser sagt Aftermöting) = Dienstag, Köning = König (im Ries), Schrank = Schrein, Stümpf = Strümpf, schick de = geschwind, Bettschat = Bettstatt, Kanzlei = Stubenkammer (im Ries üblich), Todtendruh = Sarg, Kinderschocka = Kinderwiegen, dot = dort, Dotle – Taufpathe, wara = warm, saien = säen, Fusch = Fisch (auf dem Herdtfeld), extern = blitzen (ebenfalls auf dem Herdtfeld) u. s. w.

Als Beispiel folgt hier ein Vers aus einem Gedicht in der Rieser Mundart:

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0086.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)