Seite:OberamtNeresheim0343.jpg

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von den Venetianern beeinflußter Meister, war hauptsächlich in Nürnberg und Nördlingen thätig; in letzterer Stadt sieht man noch viele Gemälde, die eine originelle, sehr flüssige, in Zeichnung und Farbe weit entwickelte Behandlung zeigen. Er ist der Verfertiger auch dieses Altares, und namentlich rührt von ihm das vortreffliche, leider z. Th. zerstörte Predellabild her, darstellend die hl. Ursula mit ihren Jungfrauen, und merkwürdiger Weise benützte und verfeinerte der Maler die nebenan an der Nordwand gemalten Motive der mehr als 200 Jahre älteren Darstellung desselben Gegenstandes (s. o.), und eine Vergleichung beider, so weit noch möglich, ist äußerst anziehend.

Die südlich anstoßende, bedeutend tiefer liegende Stiftskapelle wird von vier Rippenkreuzgewölben überspannt, die auf einer sehr starken kurzen Rundsäule ruhen; ihr Kapitell umkränzen tiefunterschaffte vielgezackte Blätter; die Behandlung erinnert etwas an die Säulen im Maulbronner Refektorium, und weist wieder in die Zeit der Gründung des Klosters. Auf den vier Schlußsteinen sind die vier Evangelistensymbole scharf und streng ausgehauen; der Markuslöwe ist geflügelt, der Johannesadler in der selten gesehenen Haltung mit geschlossenen Flügeln. Gegen Osten baut sich ein schönes halbachteckiges, außen mit zarten lisenenartigen Strebepfeilern besetztes Chörchen hinaus; es hat einfache Spitzbogenfenster, das mittlere mit einem sehr alten Glasgemälde, Mariä Verkündigung; und endlich befindet sich auf der im Westen sich erhebenden Empore ein Altar aus der frühen Zeit der Erbauung mit einem Krucifix; an den Kreuz-Enden sieht man die vier Evangelistensymbole gemalt, Christi Körper ist langgestreckt, die Beine sind ungekreuzt, die Arme gehen gerade hinaus; neben ihm stehen auch in Holz geschnitzt Maria und Johannes.

Nordöstlich an der Kirche liegt der mit einem Ölberg und einer offenen Kapelle im Renaissancestil (vom Jahr 1611) geschmückte katholische Friedhof. Das Kloster samt der Kirche ist Eigenthum des Fürsten von Oettingen-Wallerstein. Die letzte Bewohnerin des ehemaligen Klosters, die Chorregentin Anastasia, starb im Jahre 1858.

Die protestantische Kirche zu St. Jakob liegt am Nordsaum des Dorfes in dem alten noch ummauerten Friedhofe und stammt zum Theil noch aus romanischer Zeit; sie hat an der Südwand des Schiffes ein schmales Rundbogenfensterchen und ein Rundbogenportal, dessen Bogenfeld von einer Platte aus Basalttuff erfüllt wird, darauf ist erhaben ausgemeißelt in der Mitte ein griechisches Kreuz, links eine runde patinaähnliche Scheibe, und rechts eine Scheibe, worin ein Kreuz mit einem Menschenkopf oben.

Die übrigen Formen der halbachteckig schließenden Kirche sind spätgothisch, hiemit stimmt auch der an der Südseite der Kirche eingemauerte Sandstein mit dem sehr schönen, das Kirchheimer Wappen haltenden Engel und der Jahreszahl 1497. Das flachgedeckte 1767

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0343.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)