Seite:Oberamt Gmuend 197.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

Mauern aufgeführten Thurmes ist schön und merkwürdig. Das untere Geschoß, zur Sakristei dienend, wird von einem auf kurzen Ecksäulen ruhenden Kreuzgewölbe mit starken Rippen von breiter Leibung überspannt; die Wände des zweiten, sehr hohen Geschosses werden durch sehr gespitzte Bögen entlastet. Das dritte und vierte Geschoß ist zusammengefasst zu einem hohen tempelartigen Raum, in dessen acht Ecken schlanke Rundsäulen aufsteigen und aus ihnen schwingt sich ohne Kapitelle ein schönes achtrippiges Sterngewölbe. Am Schlußstein desselben ist ein Druidenfuß ausgemeißelt. Die Gewölberippen haben ein weitvorspringendes Profil, bestehend aus steiler Kehle, an der ein starker Rundstab mit Steg hervortritt. Säulchen und Rippen sind schon ganz gothisch gebildet, und die Vollendung dieses Raumes, sowie des hohen Dachhelmes, mag tief in das dreizehnte Jahrhundert hineinfallen. Wenn einmal der gothische Chor niedergerissen ist und die neue, im Stil des Thurms und der Kirche gehaltene halbrunde Abside vollendet dasteht, ist die Kirche ein Denkmal spätromanischer Kunst einzig in seiner Art und wird nach allen Richtungen hin die schönsten und bedeutendsten Ansichten gewähren.

Das Innere der Kirche streckt sich als eine schlanke, hohe Pfeilerbasilika hin; die Seitenschiffe gehen bis zum Triumphbogen und endigen hier platt, das Mittelschiff setzte sich hinter dem Triumphbogen als ebenso breiter und gewiß auch als ebenso hoher Chor (Altarraum) fort und schloß mit einer halbrunden Abside, die nun wieder erbaut werden soll und mit ihrer großen Halbkreisnische den würdigsten Abschluß des einfach edlen, sonst ganz flachgedeckten Raumes geben wird. Die Verhältnisse sind weit und zierlich; die Arkadenpfeiler, je sieben auf jeder Seite, feingebildet, und an den vier Kanten von schlanken Knaufsäulchen gefasst, die das rings umher laufende Kämpfergesims tragen helfen. Dieses besteht aus hoher, von kräftiger Platte bedeckter Schräge, worauf linien- oder meist pflanzenhafte Muster gar sauber und geschmackvoll ausgemeißelt sind; die Rundform der Kantensäulchen schwingt sich als einfassender Stab in den Arkadenbögen umher. Über den Arkadenbögen zog sich früher eine schön skulpirte, hohe steinerne Gurte hin, die in der Zopfzeit weggespitzt und nun wieder erneuert wurde; Theile einer ähnlichen, mit schönen Palmetten geschmückten, fanden sich noch im südlichen Seitenschiffe. Der weite lichte Triumphbogen, ganz wie die Arkadenbögen behandelt, ist noch erhalten und zeigt an seinem nördlichen Kämpferkapitell zwei sich mit den Schwänzen verschlingende Drachen. Die Kirche erhält ihr Licht hauptsächlich aus der stolzen Fensterreihe des Hochschiffes, hat also fast lauter Oberlicht, was immer von der feierlichsten Wirkung ist. Die Länge der Kirche bis zum Triumphbogen beträgt 116′, die Höhe des Mittelschiffes 53′, die Breite der Kirche an der Westwand 62′, beim Triumphbogen 67′, die Breite des

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_197.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)