Seite:Oberamt Gmuend 309.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

mächtige Berggehänge, die, meist von üppigem Laubwald bewachsen und von großen Felsgruppen belebt, aus dem frischen, wiesengrünen Thalgrund steil und kühn emporsteigen Beim Orte selbst erweitert sich das Thal, weil hier von Ost, Nord und West Schluchten hereinbrechen. Herrliche Aussichten bieten sich überall auf den Höhen, die schönste aber auf dem Bernhardusberge, wo sich gegen Norden und Osten ein fast unermeßlicher Blick über die Lorcher, Welzheimer, Gaildorfer und Ellwanger Gegenden mit ihren Hügelketten aufthut, gegen Nordwest das reiche Land bis an den Stromberg und die fernen Vogesen; gegen Westen aber die ganz nahe stehenden, herrlich geformten, kahlen Bergpyramiden des Stuifens, Rechberg und Staufens in ganz ungewöhnlich großartiger und schöner Gruppirung sich darstellen, eine Ansicht, die kein Punkt der Alb wieder ähnlich prächtig gewährt. Auch von dem nahen Galgenberge genießt man eine überraschend schöne Aussicht in das Weissensteiner und in das Donzdorfer Thal, wie auch an die Alb selbst und an ihre hohen Vorberge. Das unregelmäßig gebaute Dorf, von reinlichen wohlgekandelten Straßen durchzogen und von Obstbäumen dicht umgeben, liegt sehr schön, und macht mit seinen hübschen, oft noch strohgedeckten Bauernhäusern und der malerisch auf der höchsten Stelle stehenden alterthümlichen Kirche einen sehr günstigen Eindruck.

Dieses bemerkenswerthe Bauwerk hat einen großen Thurm gegen Osten und stammt aus romanischer Zeit; die Südmauer des Schiffes zeigt noch alte, sehr schmale Rundbogenfensterchen; sonst sieht man an der Kirche noch einige spätgothische Fenster. Das erste Geschoß des zweistockigen, mit achteckigem Zeltdach bekrönten Thurmes ist noch ganz im romanischen Stil erhalten; im Innern tragen vier sehr starke Rundsäulen die hohen, schweren Kreuzrippen; das Gewölbe selbst ist als Halbkugel gestaltet und aus lauter großen Quadern zusammengesetzt; die Kapitelle der Säulen zeigen die Würfelform und zwar belebt mit Blättern oder Thiergestalten, beides schrecklich dick übertüncht; auch der Triumphbogen ist noch der alte, ein ganz ungetheilter Rundbogen, auf schlichten Kämpfern ruhend. An der Nordwand des Thurmes befindet sich ein zierliches, durch die Treppe halbverdecktes Grabmal eines im 17. Jahrhundert gestorbenen Knäbleins aus dem Degenfeld’schen Hause; an derselben Wand hängt ein hübscher Todtenschild mit der Umschrift: Anno dom. 1551 auf den 7. Augusty starb der edel und vest junker wylhalm v. Degenfeld. Auf dem Altare steht ein schönes, altes Krucifix. Die Kirche wurde in neuerer Zeit gegen Westen verlängert. Von den drei Glocken ist die größte von 1788, die zweite hat die Umschrift: s. lucas. s. marcus. s. matheus. s. iohannes. 1446. iar., darunter ein Relief Christus am Kreuz mit Maria und Johannes; die dritte Glocke trägt ebenfalls die vier Evangelistennamen, ferner die Jahreszahl 1465

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_309.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)