Seite:Oberamt Gmuend 406.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

und zwar zu den nicht bedeutenden Vorbauten, worunter die schon genannte Jägerwohnung und ein halbrunder Thurm gegen Nordost; nur gegen Westen war dieser Graben nöthig, auf allen andern Seiten fällt der Berg hoch und steil ab. Von diesem Vorwerke zur eigentlichen Burg führt eine hölzerne, auf einem Steinpfeiler ruhende Brücke (früher Zugbrücke) über den noch jetzt gegen 50′ tiefen ausgemauerten um die ganze Burg führenden Graben, der an der innern Seite mit einer Brustwehr versehen ist und in den gegen Süden ein schöner halbrunder Thurm heraustritt. Hinter der Brustwehr erhebt sich nun die jetzt trümmerhafte Burg, ein sehr altes gewaltiges Steinhaus, von Osten gegen Westen als unregelmäßiges Vieleck in die Länge gestreckt. Die Umfassungsmauern sind 6–10′ dick aus großen Sandstein-Buckelquadern aufgeführt und noch in bedeutender Höhe erhalten, denn nur die hölzernen Theile des Schlosses wurden durch den Brand zerstört. Gegen Osten, an der inneren Brücke steht ein mit Schießscharten versehener Vorbau in gothischen Formen, mit dem großen spitzbogigen Eingange in die Burg, daneben ein Pförtchen. Im Innern der Ruine sind zwei kleine Hofräume; in einem derselben befindet sich ein rundausgemauerter Ziehbrunnen, der auf 20′ Tiefe Wasser hält. Aus dem hohen Schutt ragen noch einige spitzbogige Pforten und unter ihm haben sich noch weite Kellergewölbe erhalten. Das Bemerkenswertheste aber ist jene jetzt zugemauerte Galerie aus sieben tief eingeschrägten romanischen Rundbogenfenstern in der Südmauer des Schlosses; ohne Zweifel war hier der ursprüngliche Rittersaal; gegen Osten geht in dieses Gemach ein romanisches Doppelfenster, sonst ist nur hie und da noch ein kleines Rundbogenfensterchen an der Burg zu sehen, die, wie das meiste noch vorhandene, den ursprünglichen frühromanischen Baustil bekunden. An dem gegen den Weiler gekehrten Südabhang des Bergs stehen außerhalb der eigentlichen Burganlage noch Reste von Vorwerken.

Wir erwähnen noch die Sage vom Rechberger Klopferle, einem Familiengeist; nach ihr soll Ulrich II. von Rechberg ums Jahr 1496 auf einer Fahrt abwesend gewesen und von seiner Frau, Anna von Wenningen, sehnlich erwartet worden sein. Sein treuer Hund hatte öfter Briefe von ihm gebracht, jetzt aber war er lange ausgeblieben; in großer Besorgniß ging die Gemahlin des Ulrich häufig in die Burgkapelle und betete für den Gemahl. Da ward sie einmal in ihrer Andacht gestört durch ein lautes Pochen an der Thüre, worüber sie im Unwillen ausrief: ich wollte du müßtest ewig klopfen! Als sie die Thüre öffnete lag der treue Hund winselnd vor der Schwelle; bald darauf wurde ihr Gemahl todt heimgebracht und in wenigen Wochen hörte sie ein Pochen und verschied. Von dieser Zeit an soll das Pochen des Familiengeistes jeden Todesfall in der Familie Rechberg ankündigen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_406.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)