Seite:Odenwald (Grimm) 014.jpg

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Alterthümlichkeit ausgezeichnet, steht auch der Rest eines ehemaligen Templerhauses. Es scheint sich überhaupt um die Burg, wozu früher der genannte Schlossthurm gehörte, im Laufe des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts, nach und nach eine grössere Zahl von Einwohnern angesiedelt zu haben. Auf diese Weise bildete sich die Burgstadt, die jedoch nicht von grossem Umfange gewesen sein kann. Bald aber entstand auch die ausserhalb der Ringmauer gelegene grössere Vorstadt. Im Jahre 1498 war Erbach schon so beträchtlich, dass ihm der Papst die Vergünstigung ertheilte, sich von dem kirchlichen Verbande mit Michelstadt zu trennen, und eine eigene Pfarrei zu bilden.

Im vierzehnten Jahrhundert war das Schloss Erbach aber ein Ganerbenhaus, welches die Schenke von Erbach und die Herren von Breuberg gemeinschaftlich besassen, wesshalb es zwischen beiden Familien oft blutige Händel absetzte, bis die Schenke von Erbach wieder in den alleinigen Besitz davon kamen.

Das Schloss enthält jetzt schätzbare und sehenswerthe Sammlungen. Der Rittersaal ist bekannt. Er befindet sich links am Eingange, und macht auf den Eintretenden einen überraschenden Eindruck. Im Gothischen Style erbaut, bildet er einen Raum von schönen Verhältnissen, mit herrlichen alten Glasmalereien in den Fenstern geziert, von welchen zwei aus der Kirche zu Wimpfen, eines aus dem Chor des Nonnenklosters zu Altenburg in der Wetterau, und die übrigen sonst zusammengebracht wurden. Sie rühren vom dreizehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert her, also von dem Anfange bis zu dem Verfalle der Glasmalerei. An der Uebereinstimmung der Einzelheiten, unter welchen das Auge auch nicht das Kleinste entdeckt, was nicht hierher gehörte, erkennt man, dass hier ein verständiger, seine Sammlung mit Liebe und Kenntniss umfassender Geist gewaltet hat. Selbst das Schloss an der Saalthüre ist ein beachtenswerthes altes Kunstwerk. Die sechs Fensterpfeiler sind mit aus alten Waffenstücken zusammengesetzten Trophäen bekleidet. Unter diesen befindet sich ein interessanter Schild, auf welchem in getriebener Arbeit Kriegsscenen, angeblich Scenen aus dem Trojanischen Kriege, dargestellt sind. Vor allen aber ist die treffliche, wahrhaft künstlerische getriebene Arbeit in Eisenblech beachtenswerth, welche einen Sattel vorn und hinten

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes in ihrer Vorzeit und Gegenwart. Darmstadt: Carl Wilhelm Leske, 1843, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Odenwald_(Grimm)_014.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)