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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

Während die Reaktionäre mit den Revolutionären im wütendsten Kampfe lagen, das Auftauchen des gemeinsamen neuen Feindes, des Kommunismus, übersehend, sind am politischen Horizont Gespenster aufgetaucht, den Gestalten der Apokalypse vergleichbar.

Das unheilbringendste war der Pferdedieb, Säufer und Wüstling Rasputin — Grischka Rasputin.

Schon der Name Rasputin, Wüstling, schrieb dem geheimnisvollen Abenteurer den Weg seines Lebens vor.

Seine späteren Beinamen, wie „heiliger Greis, geistlicher Vater, Wundertäter, Wonnespender“, stehen jetzt noch im grellen Gegensatz zu seiner Unsterblichkeit als Rasputin in des Wortes geradester Bedeutung.

Ein Bauer aus dem Tobolsker Gouvernement in Sibirien, Analphabet und Gewohnheitssäufer, war Rasputin in Gemeinschaft mit Zigeunern dem Pferdediebstahl ergeben und wurde von der Polizei und den Bauern hart verfolgt.

Nach einem mißlungenen Diebstahl fast ertappt, gelang es ihm, sich im letzten Augenblick in ein entlegenes Kloster zu retten, wo er vom Prior, dem streng asketischen und psychisch anormalen Mönch Pimen, aufgenommen wurde.

Im Kloster wurde Bruder „Gregor“ im Schreiben und Lesen unterrichtet, aber es zeigte sich bald, daß er zum geistlichen Berufe nicht nur aus Mangel an Bildung, sondern auch durch seinen Hang zu Ausschweifungen für nicht geeignet befunden wurde.

In den Dörfern Rußlands sind heute noch über die romantischen Streifzüge Rasputins die verschiedensten Legenden im Umgang.

Über seine Erfolge bei Frauen und über seine seltsame Kunst, auf Menschen einzuwirken, gibt es die unglaublichsten Dinge zu hören.

War der Prior Pimen für sein Kloster ohne Geld und galt es, die frommen und reichen Kaufleute von Tobolsk für Unterstützungen zu

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/131&oldid=- (Version vom 15.9.2022)