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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

ihm enthaltene Lebenskraft verliert und der in den Arterien vorhandene Atem die von aussen von der umgebenden Luft ihr zuströmende heilsame Mischung nicht mehr in gleicher Weise aufnimmt und die Nerven schlaff werden und nachlassen. 145 Die Folge davon ist eine Lähmung der harmonisch verbundenen Glieder, die vorher darunter zu leiden hatten, dass ein scharfer und sehr herber rheumatischer Schmerz in ihr Inneres eindrang und, da er in engen Gängen eingeschlossen war, die keinen bequemen Durchgang boten, gepresst wurde und wieder presste, sodass heftige und fast unerträgliche Schmerzen entstehen mussten; daraus gehen dann wieder die schmerzhaften Gicht- und Gelenkkrankheiten hervor, gegen welche noch kein Heilmittel erfunden ist, die vielmehr nach menschlichem Verstand unheilbar sind. 146 Beim Anblick solcher Leiden werden manche erstaunt fragen, wie Menschen, die noch vor kurzem kräftig, wohlbeleibt und nach ihrer ganzen Haltung blühend aussahen, so plötzlich abmagern konnten, dass sie nur noch aus Sehnen und dünner Haut bestehen, und wie üppige und durch luxuriöse Lebensweise von frühestem Alter an gut genährte Frauen infolge arger Leiden seelisch und körperlich so verrohen konnten. 147 Da nun werden Feinde sie verfolgen, und das Schwert wird die rächende Strafe an ihnen vollziehen, sie aber werden, wenn sie in die Städte flüchten und dort in Sicherheit zu sein glauben, in ihrer Hoffnung gründlich getäuscht Mann für Mann umkommen, weil sie in den Hinterhalt der Feinde fallen werden (3 Mos. 26,25).

148 (6.) Wenn sie aber auch durch diese Strafen nicht gebessert werden, wenn sie weiter Irrwege einschlagen (ebd. V. 23) und die zur Wahrheit führenden geraden Wege verlassen, dann wird feige Furcht sich ihrer Seelen bemächtigen, und sie werden fliehen, ohne dass einer sie verfolgt; auf falsche Gerüchte hin, wie sie verbreitet zu werden pflegen, werden sie auf der Flucht hinstürzen, das ganz leichte Rauschen [p. 433 M.] eines von der Luft bewegten Blattes wird ihnen ebenso grosse Angst und Furcht einjagen, wie der schwerste Krieg mächtiger Feinde (ebd. V. 36)[1]; da werden auch Kinder um die Eltern,


  1. Philo las also an dieser Stelle δειλίαν (wie AF Lukian), nicht δουλίαν Für φερόμενος ist bei Philo, wie LXX zeigt, φερομένου zu lesen.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/041&oldid=- (Version vom 4.10.2017)