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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

dem Tode nahe, wenn sie aber unfruchtbar geblieben ist und diese (Laster) nicht erzeugt hat oder wenn sie sie alle verloren hat, wird sie durch eine Wandlung zur reinen Jungfrau; 160 sie empfängt dann den göttlichen Samen und bildet und setzt ins Leben ausgezeichnete Wesen, bewunderungswürdige Schönheiten, Einsicht, Tapferkeit, Mässigkeit, Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Gottesfurcht und die übrigen Tugenden und schönen Gefühle, bei denen nicht nur die gesegnete Geburt ein hohes Gut ist, sondern auch schon die Erwartung dieser Geburt, die durch die gebotene Hoffnung im voraus den Geist[1] erfreut. 161 Die Hoffnung ist ja Freude vor der Freude, und wenn sie auch nicht so vollständig ist wie die vollkommene, so übertrifft sie doch die kommende Freude in doppelter Hinsicht, weil sie das Elend der Sorgen löst und lindert und weil sie im voraus die frohe Botschaft vom künftigen vollen Glück verkündet.

162 (8.) Ich habe nun, ohne irgend etwas zu verschweigen, die Flüche und Strafen dargelegt, die von denen erduldet werden sollen, welche die heiligen Gesetze der Gerechtigkeit und Frömmigkeit missachten und von den götzendienerischen Anschauungen sich haben verführen lassen, deren Ziel die Gottlosigkeit ist, indem sie die von ihren Vätern ererbte Lehre vergassen, in der sie von frühester Jugend an unterrichtet wurden, an das einzige Wesen als den höchsten Gott zu glauben, dem allein anhängen muss, wer ungeschminkter Wahrheit und nicht erdichteten Fabeleien nachjagt. 163 Wenn sie jedoch die angedrohten Strafen[2] nicht so auffassen werden, dass sie ihnen zum Verderben gereichen, sondern dass sie ihnen zur Warnung dienen sollen, und wenn sie aus Scheu vor ihnen mit ganzer Seele sich bekehren, wenn sie sich Vorwürfe machen wegen ihres Irrweges und ihre Sünden laut bekennen werden, zuerst bei sich selbst mit reinem Sinn vor ihrem wahrhaftigen und aufrichtigen Gewissen, aber auch mit dem Munde zum Zwecke der Besserung der sie Anhörenden,


  1. Für ἀσθένειαν hat Mangey dem Sinne nach richtig διάνοιαν vermutet.
  2. Der Ausdruck δυνάμεις an dieser Stelle ist unverständlich, der Zusammenhang verlangt ein Wort, das etwa „angedrohte Strafen“ bedeutet.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/045&oldid=- (Version vom 4.10.2017)