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irgend etwas zu messen, so steht es uns immer frei zu sagen, daß es nicht die absolute Geschwindigkeit ist, und wenn es nicht die auf den Äther bezogene Geschwindigkeit ist, so kann es immer die Geschwindigkeit in bezug auf irgend ein neues, unbekanntes Fluidum sein, womit wir den Raum ausfallen würden.

Auch die Erfahrung hat versucht, diese Auslegung des Prinzips der Relativität zu zerstören; alle Versuche, die Geschwindigkeit der Erde in bezug auf den Äther zu messen, haben zu negativen Resultaten geführt. Diesmal war die experimentelle Physik den Prinzipien treuer wie die mathematische Physik; die Theoretiker hätten sie preisgegeben, um ihre anderen allgemeinen Anschauungen miteinander in Einklang zu bringen, aber die Erfahrung hält eigensinnig daran fest, sie zu bekräftigen. Man hat die Mittel gewechselt; Michelson hat die Genauigkeit bis zur äußersten Grenze getrieben; nichts hat geholfen. Um diesen Widerspruch zu erklären, sind die Mathematiker heute gezwungen, ihren ganzen Scharfsinn aufzubieten.

Ihre Aufgabe war nicht leicht, und wenn Lorentz sie bewältigt hat, so gelang es nur durch Anhäufung von Hypothesen.

Die allerscharfsinnigste Idee ist die der lokalen Zeit. Denken wir uns zwei Beobachter, die ihre Uhren nach optischen Signalen regulieren wollen. Sie tauschen Signale; da sie aber wissen, daß die Übertragung des Lichtes nicht augenblicklich geschieht, müssen sie darauf bedacht sein, sie zu kreuzen. Wenn die Station B das Signal der Station A bemerkt, darf ihre Uhr nicht die gleiche Zeit zeigen wie die der Station A im Augenblick der Aussendung des Signals, sondern eine Zeit, die um einen konstanten, die Dauer der Übertragung bedeutenden Zeitraum später ist. Nehmen wir zum Beispiel an, daß die Station A ihr Signal abgibt, wenn ihre Uhr Null zeigt, und die Station B es bemerkt, wenn

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Henri Poincaré: Der gegenwärtige Zustand und die Zukunft der mathematischen Physik. Der Wert der Wissenschaft, B. G. Teubner, Leipzig 1904/6, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PoincareKrise.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)